Die goldene Bramasche

Aus „Prinz Roßzwifl“1:

Das Märchen ist bei Schönwerth unvollständig notiert. Im Rahmen einer Klassenarbeit wurde es 2012 von Kindern der  Klasse 5d des Gymnasiums Lappersdorf (Landkreis Regensburg) vervollständigt.

Hier die Version von Felix Döring, 11 Jahre, Lappersdorf bei Regensburg

Illustration aus dem Buch Seite 41 von Barbara Stefan

Zwei Geschwister, ein Knabe und ein Mädchen, hatten eine böse, böse Stiefmutter, welche sie durchaus nicht leiden mochte und sie auf alle Art quälte und marterte. Obgleich ihr Vater die armen Kinder bedauerte, so getraute er sich doch nicht, seinem bösen Weibe zu widersprechen, selbst als diese, da ihr die Kinder beständig ein Dorn im Auge waren, das Mädchen fortschickte, um die goldene Bramasche (goldenes Krönlein) zu gewinnen, weil sie wusste, dass es so schwierig sei, diesen kostbaren Schatz zu erringen, dass sie gleich wie so viele, welche um dieselbe zu gewinnen ausgegangen waren, nicht mehr zurückkehren werde.

Diese Bramasche befand sich, wie die Sage ging, in einem verwunschenen Schloss, und wer so glücklich war, sie zu gewinnen, konnte mit ihrem Besitz nicht nur die größte Macht und Reichtum und Ehre erlangen, sondern zugleich auch einen gewaltigen Zauber lösen, welcher auf dem Schloss und dessen Umgebung lastete. Das nach diesem Schatz ausgesandte Mädchen war nicht mehr zurückgekehrt, was der bösen Stiefmutter sehr erwünscht war. Nachdem bereits ein Jahr verflossen war, sandte sie auch den Knaben fort, die goldene Bramasche aufzusuchen.

Nachdem ihm sein Vater noch einiges Geld mitgegeben hatte, machte er sich auf den Weg. Bereits war er eine ziemliche Strecke weit gegangen, da begegnete ihm ein Rösslein, welches sogleich, als es ihn erblickte, stehen blieb, und ihn zu erwarten schien. Er ging auf dasselbe zu, und das Rösslein sprach ihn an und fragte ihn, wohin er gehe und was er beabsichtige. Als ihm der Knabe Auskunft gegeben, bat es ihm freundlich seine Dienste an und versprach ihm, bei seinem schweren Unternehmen Führer und Ratgeber sein zu wollen, wenn er ihm in allen Stücken genau folgen wolle. Der Knabe versprach dieses, stieg, wie ihm das Rösslein geheißen, auf seinen Rücken, und so ging es ziemlich rasch vorwärts, ohne dass das Rösslein für jemand außer dem Knaben sichtbar war.

Nach einer Weile verspürte der Knabe Hunger, und da sie eben an einem Wirtshaus vorbeikamen, erlaubte ihm das Rösslein einzukehren und sich für einen Kreuzer Brot einzukaufen und ein Glas Wasser dazu zu trinken, aber sonst sollte er ja nichts weiter zu sich nehmen, wenn er wolle, dass es noch länger sein Führer und Begleiter sein solle. Der Knabe versprach dieses. Allein nachdem er für einen Kreuzer Brot verzehrt hatte, erwachte in ihm die Lust nach einem zweiten. Er konnte seinen Gelüsten nicht widerstehen und kaufte sich auch ein zweites. Aber kaum hatte er noch den letzten Bissen verzehrt, so erinnerte er sich der ernsten Warnung des treuen Rössleins. Voll Angst und Besorgnis eilte er hinaus auf den Platz, wo er dasselbe verlassen, und siehe, es war nicht mehr da. Jammernd ließ er seine Blicke in der Gegend umherschweifen, da bemerkte er es in weiter Ferne auf einem Bergesrücken, wie es eben noch, gleichsam zum Abschied, einen wehmütigen Blick nach ihm zurücksandte. Bittend streckte er die Arme nach ihm aus und weinte und rang die Hände, und wirklich ließ sich das Rösslein nach einigem Zögern bewegen, nochmals zu ihm zurückzukehren.

Nachdem es ihn wegen seines unverzeihlichen Leichtsinns getadelt und ihn gewarnt, ihm in Zukunft nochmals ungehorsam zu sein, ließ es ihn wieder aufsitzen und trabte rasch vorwärts. Nach einem mehrtägigen Ritt kamen sie vor ein großes prächtiges Schloss, und das Rösslein erklärte, dass in diesem Schloss der gesuchte Schatz aufbewahrt werde. Zugleich gab es ihm die nötigen Anleitungen, wie er denselben erlangen könne. „Wenn du diese große Treppe hinansteigst, wirst du zu einer großen Flügeltür gelangen, welche du kühn öffnen darfst. Dieselbe führt unmittelbar in einen großen Saal, in welchem du viele Damen um eine lange Tafel sitzen siehst, die sich mit Kartenspiel unterhalten. Dieselben werden dich zum Spiele einladen und dich gar sehr dazu andrängen, aber hüte dich, dich von ihnen dazu verführen zu lassen. Abseits in einer Ecke des Saales auf einem kleinen Tischchen wirst du den Schatz blinken sehen in Gestalt eines goldenen Krönleins. Nimm ja die Gelegenheit genau wahr, dich in seinen Besitz zu setzen und eile damit, so schnell du vermagst, zu mir herab, dann wird dir der liebe Gott noch weiter helfen. Der Knabe tat wie ihm geheißen.

Bei seinem Eintritt in den Saal wollten die Damen ihn durchaus zum Kartenspiel bewegen, allein er weigerte sich standhaft zu spielen und hatte insgeheim ein sorgfältiges Augenmerk auf den Schatz, welchen er auf dem bezeichneten Tischchen auf einem schwarzen Samtkissen entgegenblitzen sah. Da die Damen sahen, dass sie ihn durchaus nicht verleiten konnten, mit ihnen zu spielen, so ließen sie von Zeit zu Zeit ein Blatt fallen, damit er gezwungen sei, dasselbe aufzuheben.

Als er sich nun wieder einmal nach einem Blatt bückte, bemerkte er mit Schrecken, dass die Damen sämtlich Tierfüße hatten. Er hielt sich jetzt eben in der Nähe des bezeichneten Tischchens auf, und als jetzt einer Dame eben ein Kartenblatt nach der Richtung desselben hin entfallen war, bewegte er sich, als wenn er das Blatt hätte aufheben wollen, schnell nach dem Platz hinüber, erhaschte den Schatz und war mit einem Sprung durch die Türe verschwunden, welche er ohnehin nur leise angelehnt hatte. Er flog die Treppe hinab, schwang sich auf sein getreues Rösslein, und fort ging's im sausenden Galopp. Noch lange hörte er hinter sich im Schloss ein schreckliches Heulen und Winseln und Jammern und Poltern, als ob alle Türen mit Macht auf und zu geworfen würden, und das Rösslein flog mit ihm so schnell dahin wie ein Vogel in der Luft, bis endlich das Lärmen gänzlich verstummt war. Der Knabe hatte seinen Schatz behutsam in sein Sacktuch eingewickelt, wie ihm das Rösslein geheißen, und so trabten sie etwas langsamer vorwärts, bis sie endlich an ein großes Bauerngehöfte kamen. Dort hielt das Rösslein still und ließ den Knaben absteigen. Dann hieß es ihn zu dem Besitzer dieses Gehöftes zu gehen, welcher ihm vollkommen Aufschluss darüber geben werde, wie er mit dem Schatz zu verfahren habe...

Vohenstrauß. 202 129

Hier endet das Märchen, das uns Schönwerth überliefert hat.

Felix Döring, 11 Jahre, aus Lappersdorf, hat es weitergeschrieben.

Der Knabe ging vorsichtig in das Wohnhaus, suchte die Stube ab, fand den Bauern in einer Ecke und fragte: „Grüß Gott, Herr Bauer, kennst du die Geschichte von der goldenen Bramasche? Was würdest du tun, wenn du die Bramasche hättest?"

Der Bauer antwortete traurig: „Ich würde den Zauber lösen, damit ich meine geliebte Frau wieder zurückbekommen würde. Alle anderen verwünschten Leute wären dann auch erlöst." „Ja aber wie löst man den Fluch?", fragte der Junge neugierig. „Ich habe einmal von einer alten Hexe gehört, dass auf der Krone ein Edelstein sei, den man eindrücken muss, und danach soll man sich die Bramasche auf den Kopf setzen." „Danke!", rief der Knabe und rannte blitzschnell aus dem Bauernhaus.

Robert nahm die Bramasche aus dem Sacktuch, drückte den Edelstein und setzte sich die Krone auf. In diesem Moment ertönte ein furchtbarer Knall. Das Rösslein verwandelte sich in die Schwester des Knaben, aus dem Bauernhaus wurde ein Herrenhaus, und die alten, schrumpeligen Bäume trieben aus und begannen zu blühen. Das Schloss in der Ferne fiel in sich zusammen, doch vorher kamen viele Menschen herausgelaufen. Der Bruder umarmte liebevoll seine Schwester, und sie freuten sich sehr. Gemeinsam rannten sie so schnell sie konnten zu ihrem Elternhaus. Dort trafen sie ihren Vater und die Stiefmutter, die wütend schrie: „Ich gehe und komme nie mehr wieder!"

Gesagt, getan. Die Geschwister und der Vater feierten ein Fest und sahen plötzlich ihre richtige Mutter die Straße entlang kommen, die auch eine Gefangene des Schlosses gewesen war. Die Freude war riesengroß, und sie aßen und tranken glücklich. Und wenn sie nicht gestorben sind, so feiern sie noch heute.

1 Franz Xaver von Schönwerth: Prinz Roßzwifl und andere Märchen, ans Licht gebracht von Erika Eichenseer. Regensburg 2010