MÄRCHEN UND ZUSATZTEXTE

3. STATION, SCHÖNWERTH-MÄRCHENPFAD SINZING

Die Holzhetzer sind in großer Zahl beisammen und machen fürchterlichen Lärm, den man weit und breit hört. Sie bellen wie Hunde, und werden für Hunde gehalten.
Sie gehören zum Wilden Heer. Sie selber aber werden vom Teufel gehetzt.
Ihre Namen haben sie von der Hetzjagd, welche sie auf die armen Holzfräulein anstellen, um sie zu peinigen. Doch können diese sich retten, wenn sie sich auf einen Baumstock niedersetzen, in dem mit der Hacke während des Falles des Baumes drei Kreuze eingehauen wurden. Es ist dieses ein fester Glaube, und die Holzarbeiter versäumen nie, für die Holzfräulein zur Rast drei Kreuze in die Baumstücke einzuschlagen.
In: Sitten und Sagen, Bd. 2, S. 145 und S. 152

Wilde Jagd

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Ein Schneider ging vom Wirtshaus heim, da hörte er auf einmal über sie die Wilde Jagd herkommen, wo viele Hunde bellten und hetzten. Als der Schneider dies hörte, fing er sogleich an mit zu bellen.
Da hob es ihn in die Lüfte und trug ihn so weit, dass er in einem fremden Weltteil ankam, wo er sich weder auskannte, noch einen Menschen verstand.
Erst nach drei Jahren kehrte er wieder in seine Heimat zurück, wo er seine Frau zu seinem Erstaunen an einen anderen Mann verheiratet fand. Dieser musste aber wieder weichen.
In: Schönwerth Nachlass Nr. 203 060

Fragen zu dem Märchen:

Die Wilde Jagd gehört zum teuflischen Heer und ist kaum zu bändigen.
Die Macht des Teufels kann aber gebannt werden. Wie geht das hier?
Das magische Zeichen im Holzstock ist ein Drudenfuß. Was weiß das Internet darüber? Wo tauchte er auf? (Stuben, Möbel, Wiegen...) In Goethes Faust in der Türschwelle.
Was macht heute den Menschen Angst? Früher?
Lärm vertreibt böse Geister. Beispiele finden sich auch im Brauchtum (Walpurgisnacht, Neujahr usw.)
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Kunstobjekt: Wilde Jagd von Korbinian Huber, Duggendorf
Hoch über unseren Köpfen hängt die Wilde Jagd, ein langes, klapperndes Wesen aus gehämmertem Kupferblech. An einem herabhängenden Seil kann man ziehen, und die Wilde Jagd beginnt. Flügel schwingen auf und ab, Krallen treten vor und zurück. So wird dieses Wesen lebendig, das keinem Biologiebuch entsprungen ist. Hoch in den Bäumen hängt das mechanische Spielzeug, durch das der Himmel schaut.

 

Bildergalerie

 

Die Wilde Jagd wird hochgehievt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Wilde Jagd von Korbinian Huber.

 

 

ZUSATZTEXTE

1. Die drei Spindeln

Eine junge Bauerndirn war zu Fall gekommen und von ihren Eltern aus dem Haus gejagt worden. Sie irrte herum, setzte sich verzweifelt im Wald auf einen Baumstock mit drei eingeschlagenen Kreuzen und weinte. Da kam plötzlich ein Holzfräulein gerannt und hinterdrein die Wilde Jagd. Das Mädchen sprang auf und machte dem Holzfräulein Platz, denn es wusste, dass ihm dann die Holzhetzer nichts anhaben konnten.

Das Mädchen wurde zu Boden geschlagen, dass es die Besinnung verlor. Als es aus der Ohnmacht erwachte, saß das Holzfräulein noch auf dem Stock, fragte nach dem Grund ihres Weinens und sagte dann, als es alles vernommen hatte: "Zum Dank, dass du mich heute gerettet hast vor der wilden Jagd, will ich dich mit mir nehmen, es soll dir gut gehen."

Sie gingen nun miteinander zu einem Felsen, in den eine Tür führte. Sie traten ein und kamen in ein reinliches, helles Gemach mit einem kleinen Bett, das nur ein bisschen moosig aussah. Zwei junge Holzfräulein saßen da und spannen Moos an Spindeln. Die Weiblein spannen jeden Tag nicht mehr als eine Spindel voll, und die Alte verkaufte das Garn täglich gegen Lebensmitel. Auch die Bauerstochter sollte spinnen. Doch sie konnte keinen so feinen Faden herstellen.

Endlich kam die Zeit, dass das Mädchen einen Knaben zur Welt brachte zur großen Freude der Holzfräulein. Sie pflegten Mutter und Kind mit aller Sorgfalt. Ihre einzige Bitte war, dass das Kind immer bei ihnen bleiben sollte. Gerne wurde ihnen diese Bitte gewährt. Die Holzfräulein brachten der jungen Mutter Kuchen, der wie Moos aussah, aber nach Honig schmeckte, und Wasser, das sich wie Wein trank.

Nach Ablauf einer geraumen Zeit führte das Holzfräulein die junge Mutter wieder zu dem Holzstock, wo sie sich getroffen hatten. Da verabschiedete es sich, gab der Frau aber noch drei Spindeln voll Garn und schärfte ihr ernst ein, sie solle die Spindeln ja gut aufheben, denn so lange sie in ihrem Haus wären, werde sie keine Not haben."Wenn du aber wirklich in Not kommst, hasple so viel Garn herunter, wie du brauchst, es wird nicht weniger werden. Danach stecke die Spindeln, ohne dass es jemand sieht, hinter den Rußbaum (Trägerbalken in der Stube)!" Damit verschwand das Holzfräulein und ließ sich nicht mehr sehen.

Zu Hause bei den Eltern angekommen, erkannten diese die Tochter fast nicht mehr, denn sie war ganz moosig geworden. Mit ihr kehrte aber das Glück ein, sie heiratete und wurde eine reiche Bäuerin, vergaß aber niemals, ihrem Versprechen gemäß jeden Samstag dem Holzfräulein einen Kuchen aus Sauerteig, Mehl, Milch und Eiern zu backen und auf den Stock im Wald hinauszulegen.

2. Ein Hütchen aus Flachs

Zwei junge Mädchen, das eine schön, das andere hässlich, streuten Leinsamen in die Erde, das eine auf dem Berg, das andere im Tal. Dabei sang die Schöne, während sie vor dem Pflug ging, doch sie dachte immer nur an ihre Liebhaber und ihre eigene Schönheit. Die andere war nicht begehrt, arbeitete aber fleißig und warf ab und zu auch den Holzfräulein ein Körnchen ins Gebüsch.

Der Samen ging auf und wuchs hoch, da kamen die beiden wieder, um das Unkraut zu jäten, die Schöne hatte wieder nur den Kopf bei den Männern, die andere säuberte die Saat und band am Ende der Arbeit sogar ein kleines Hüttchen aus Flachsstängeln für die Holzfräulein. Fröhlich rief sie in den Wald hinein: „Holzfräulein, da habt ihr euren Teil. Lasst alles gut wachsen!“ Tatsächlich wuchs der Lein im Tal prächtig und schoss ellenlang hoch. Auf dem Berg aber verkam er, weil er nicht gepflegt wurde.

Beide brachten ihre Ernte ein und spannen im Winter den Faden, im Frühjahr trugen sie ihre Leinwand zum Bleichen auf die Wiese. Da sahen alle, dass das Tuch der Schönen grob und wenig war, das der Hässlichen aber fein und viel.

Darauf wird die Schöne böse und schimpft die andere aus: „»Ich weiß schon, wie du es gemacht hast, du Nachteule, eine Hexe bist du und hast es mit den schäbigen Holzfräulein zu tun; darum bist du aber auch so garstig und bekommst ebenso wenig einen Mann wie die alte Waldjungfer.«

Da rollt auf dem Waldweg eine goldene Kutsche heran, gezogen von vier Schimmeln und einem schwarzen Lakai auf dem Rücksitz, darin sitzt ein junger Prinz. Er hält an und sagt zu der Schönen: „Du bist so schön, dass ich dich heiraten will. Ist deine Leinwand fein?“ Das Echo aus dem Wald aber ruft: „Nein!“

Der Prinz lässt die Hand der Schönen los und geht zu der Garstigen, die schweigt und errötet. „Ich will dich heiraten. Ist dies deine Leinwand da?“ Das Echo sagt „Ja“

Er umarmt und küsst seine Braut, und von seinem Hauch wird sie wunderschön wie ein Engel, gekleidet in die reichsten Gewänder.

Die Schöne dagegen wurde von ihrem giftigen Neid hässlich und böse. Voll Zorn schlug sie am Ende auch die Hand des Dieners aus, der sie noch haben wollte, weil er sie für seinesgleichen hielt.

Der Prinz fuhr mit seiner schönen Braut in sein Schloss, wo bald die Hochzeit war. Die ehemals Schöne kehrte, hässlich und unglücklich geworden, in ihr Dorf zurück.

Seitdem singt kein Mädchen mehr beim Säen, aber sie vergessen alle nicht, den Holzfräulein ein Hüttchen aus Hanfstängeln zu bauen.

Neuenhammer, Schönwerth, Sitten und Sagen II, 370 f.