Die drei Spindeln

(Text in Originallänge, nur wenig an die heutige Sprache von Erika Eichenseer angepasst) 

Holzfräulein-Geschichten

Hulzfral, Holzfralerl, Holzweibl sind nur so groß wie drei Schuh, unbekleidet, doch weben sie sich Umhänge aus Baummoos oder Baumflechten. Hulzfraal, Holzfralerl oder Holzweiberl heißen sie und sie sind gern gesehen in den Häusern, weil sie arbeiten und helfen. Sogar Kinder können sie erziehen. Wenn man ihnen Gutes tut, sind sie dankbar, schenken übernatürliche Gegenstände wie hier drei Zauberspindeln.

Eine junge Bauerndirn war zu Fall gekommen und von ihren Eltern aus dem Haus gejagt worden. Sie irrte herum, setzte sich verzweifelt im Wald auf einen Baumstock mit drei eingeschlagenen Kreuzen und weinte. Da kam plötzlich ein Holzfräulein gerannt und hinterdrein die Wilde Jagd. Das Mädchen sprang auf und machte dem Holzfräulein Platz, denn es wusste, dass ihm dann die Holzhetzer nichts anhaben konnte.

Das Mädchen wurde zu Boden geschlagen, dass es die Besinnung verlor. Als es aus der Ohnmacht erwachte, saß das Holzfräulein noch auf dem Stock, fragte nach dem Grund ihres Weinens und sagte dann, als es alles vernommen hatte: „Zum Dank, dass du mich heute gerettet hast vor der wilden Jagd, will ich dich mit mir nehmen, es soll dir gut gehen.“

Sie gingen nun miteinander zu einem Felsen, in den eine Tür führte. Sie traten ein und kamen in ein reinliches, helles Gemach mit einem kleinen Bett, das nur ein bisschen moosig aussah. Zwei junge Holzfräulein saßen da und spannen Moos an Spindeln. Die Weiblein spannen jeden Tag nicht mehr als eine Spindel voll, und die Alte verkaufte das Garn täglich gegen Lebensmittel. Auch die Bauerstochter sollte spinnen. Doch sie konnte keinen so feinen Faden herstellen.

Endlich kam die Zeit, dass das Mädchen einen Knaben zur Welt brachte zur großen Freude der Holzfräulein. Sie pflegten Mutter und Kind mit aller Sorgfalt. Ihre einzige Bitte war, dass das Kind immer bei ihnen bleiben sollte. Gerne wurde ihnen diese Bitte gewährt. Die Holzfräulein brachten der jungen Mutter Kuchen, der wie Moos aussah, aber nach Honig schmeckte, und Wasser, das sich wie Wein trank.

Nach Ablauf einer geraumen Zeit führte das Holzfräulein die junge Mutter wieder zu dem Holzstock, wo sie sich getroffen hatten. Da verabschiedete es sich, gab der Frau aber noch drei Spindeln voll Garn und schärfte ihr ernst ein, sie solle die Spindeln ja gut aufheben, denn so lange sie in ihrem Haus wären, werde sie keine Not haben. „Wenn du aber wirklich in Not kommst, hasple so viel Gern herunter, wie du brauchst, es wird nicht weniger werden. Danach stecke die Spindeln, ohne dass es jemand sieht, hinter den Rußbaum (Trägerbalken in der Stube)!“ Damit verschwand das Holzfräulein und ließ sich nicht mehr sehen.

Zu Hause bei den Eltern angekommen, erkannten diese die Tochter fast nicht mehr, denn sie war ganz moosig geworden. Mit ihr kehrte aber das Glück ein, sie heiratete und wurde eine reiche Bäuerin, vergaß aber niemals, ihrem Versprechen gemäß, jeden Samstag dem Holzfräulein einen Kuchen aus Sauerteig, Mehl, Milch und Eiern zu backen und auf den Stock im Wald hinauszulegen.

Seitenthal. ZA 202 415