Wer war Franz Xaver von Schönwerth?

1810
Franz Xaver kam als erstes von sechs Kindern des Amberger Zeichenlehrers Joseph Schönwerth (1773 - 1851) und seiner Frau Josepha Kirchberger (1780 - 1828) zur Welt.

1832
Trotz der bescheidenen Verhältnisse der Familie durfte Franz das Gymnasium besuchen, das er mit hervorragenden Leistungen, besonders in Geschichte und Sprachen, absolvierte. Er begann im gleichen Jahr sein Studium in München, wo ihm besonders der Romantiker Joseph Görres den entscheidenden Impuls für seinen weiteren Berufsweg gab.

1841
Der Jura-Student an der Münchener Universität fiel durch vorzügliche Noten auf. Nach bestandener Prüfung wurde er als Revisor an der Regierung von Oberbayern angestellt.

1845
Der bescheidene, vielfach gebildete und fleißige Mann wurde Sekretär des Kronprinzen Maximilian und bekam verantwortungsvolle Aufgaben als Hofsekretär und Vorstand der Finanzkasse beim späteren König Max II. Er wurde dessen Ratgeber und Vertrauter.

1854
Er begann die vorbereitenden Arbeiten für sein großes Werk Aus der Oberpfalz – Sitten und Sagen.

1856
Er heiratete Maria Rath (1836 - 1905), die Tochter des Hammergutsbesitzers Michael Rath aus Neuenhammer, der ursprünglich aus Freudenberg stammte. Aus dieser Ehe stammten acht Kinder.

1857
König Maximilian II. Joseph, sein Arbeitgeber und Förderer, ermöglichte Schönwerth die Weiterarbeit in Neuenhammer durch Forschungsaufträge. Mit Hilfe seiner Frau, seines Schwiegervaters und von Freunden wie Pfarrer Heigl, Pfarrer Riedl und Kooperator Troßmann in Pleystein (1854 - 1870), wuchs die Sammlung immer weiter an.

1858
Es folgten zwei weitere Bände von Sitten und Sagen. König Maximilian II. war so dankbar für die volkskundliche Arbeit Schönwerths, dass er ihm 1859 den persönlichen Adelstitel verlieh. Ab jetzt hieß er „von Schönwerth".

1874
Aus einem ungebremsten Interesse und Fleiß heraus sammelte er auch noch Sprichwörter des Volkes der Oberpfalz in der Mundart, ein wahrer Schatz an Volkspoesie.

1880
In diesem Jahr begab sich Franz Xaver von Schönwerth in den verdienten Ruhestand.

1886
Am 24. Mai starb Franz Xaver von Schönwerth in München und wurde dort im Alten Nördlichen Friedhof beigesetzt. 

Leider gibt es kein Bild von Schönwerth. Er wollte sich weder malen noch „photographiren” lassen. Ein Zeitgenosse beschreibt ihn als groß, blond, blauäugig, stattlich und mit elastischem Gang.

Wie kam Schönwerth nach Neuenhammer?

Franz Xaver von Schönwerth wurde 1810 in Amberg geboren und arbeitete die meiste Zeit seines Lebens in München. Neuenhammer aber, der Jahrhunderte alte Eisenhammer im Zottbachtal, wurde einer der wichtigsten Orte in seinem Leben.

1837 ließ die Familie Rath eine Kirche für die gesamte Dorfbevölkerung erbauen. Es war jene Zeit, in der die katholische Kirche wieder neuen Einfluss gewann.

1845 wurde das Hammerwerk, wie an vielen Orten in der Oberpfalz, zu einer Glasschleife umgewandelt. 20 Jahre später lohnte sich auch diese nicht mehr, so dass Michael Rath, Schönwerths Schwiegervater, das Anwesen verkaufen musste und nach München zog.

Jedoch sollte Neuenhammer für den Ministerialrat Schönwerth auch auf andere Weise bedeutsam werden: Dort lebte Maria Rath, die er 1856 in der Kirche von Neuenhammer heiratete. Schönwerth verbrachte 1860 und 1861 mehrere Monate in Neuenhammer, um nach Herausgabe seiner drei Bände Aus der Oberpfalz. Sitten und Sagen weiter zu sammeln. Darin lautete seine Widmung: „Meinem Heimatlande, der Oberpfalz”

Was lenkte Schönwerths Blick auf die Erzählforschung?

Diese Leute könnten sich nämlich der Ansicht nicht entschlagen, daß ein Gebildeter unmöglich an solchen ‘Dummheiten’ Gefallen finde”. (Schönwerth, Sitten und Sagen, 1857)

Unheilsbringer wie Hexen, Bilmesschneider, Wilde Jagd, Drud oder Teufel waren von den Aufklärern als Gestalten des finsteren Aberglaubens bekämpft worden. 

Deshalb war es keineswegs selbstverständlich, dass Schönwerth geeignete Gewährspersonen fand, die ihm die alten Geschichten erzählen wollten.

In seiner Münchner Studienzeit wurde Schönwerth mit den Schriften der Romantiker vertraut. Er teilte ihre Wertschätzung für regionale Lieder, Bräuche und Erzählungen als Ausdruck der „Volksseele” (Herder).

Den entscheidenden Anstoß gab jedoch Jacob Grimm: 

„Seit auf der Hochschule Professor [Georg] Phillips mir Grimms Deutsche Mythologie in die Hand gab, geht der Gedanke mit mir, in gleicher Richtung die Oberpfalz, von der nahezu nichts bekannt ist, zu beschauen.”

Schönwerth war davon begeistert, dass es neben der bekannten griechischen oder römischen auch eine so gut wie unbekannte deutsche Mythologie gegeben habe. Wissenschaftlich hat sich allerdings die Vorstellung einer rein mündlichen Überlieferung über 80 oder mehr Generationen längst als Irrtum erwiesen.

Wie sah es damals auf dem Lande aus?

"Nivellieren von unten auf, Uniformieren von oben herab sind die gewaltigen Mühlsteine der Neuzeit.” (Schönwerth, Sitten und Sagen 1857) 

Die Lebensmittelproduktion musste gesteigert werden, um die rasch wachsende Bevölkerung und die Arbeiter in den Fabriken zu versorgen. Dadurch veränderte sich auch die Landschaft: Moore, Sümpfe und viele Teiche wurden trockengelegt, öde Flächen durch Dünger und neue Kultivierungsmassnahmen verbessert, Bäche und Flüsse begradigt.

Die Weidehaltung wurde zugunsten der ganzjährigen Stallhaltung aufgegeben. Bis dahin konnten arme Leute im Wald auch Kleinholz, Tannenzapfen und Pilze sammeln oder Streu zusammenrechen für ihre Ställe.

Jetzt bestraften staatliche Forstbeamte durch neue Gesetze diese Übergriffe, was sich sogar in den Märchen niedergeschlagen hat: Der Teufel und der Besenbinder erzählt davon, wie der ertappte Holzdieb mit Witz und Gottvertrauen den Teufel als Aufseher besiegt.

Voller Sorge schreibt Schönwerth: 

„Heutzutage scheint man durch ganz Deutschland einen förmlichen Kreuzzug gegen das Wasser in Teich und Weiher und See zu organisieren: Die Folgen werden noch spürbar werden. Nichts straft sich schneller als die Sünde wider die Natur.” 

Er meinte, dass sich das Erscheinungsbild von Menschen und Dörfern änderte zum Schlechteren, Billigeren.

Industrialisierung und die Veränderungen auf dem Land

Schönwerth befürchtete, dass der Rhythmus der Jahreszeiten, Glaube und Tradition, die über Jahrhunderte den Lebenslauf der genügsamen Bevölkerung bestimmt hatten, verloren gingen.

Die Gesellschaft des 19. Jahrhunderts befand sich im wirtschaftlichen und politischen Umbruch, dadurch wuchsen bei den Menschen Verunsicherung und Angst.

Dank des neuen Transportmittels Eisenbahn und der Nutzung von Stein- und Braunkohle entstanden in den frühen 1850er Jahren überall neue Industrieregionen.

In Maxhütte-Haidhof und Sulzbach-Rosenberg wurden damals Schienen- und Stahlwerke eröffnet. Die neue Konkurrenz an Rhein und Ruhr wirkte sich in der Oberpfalz sehr ungünstig aus. Auch in Neuenhammer waren die Veränderungen des anbrechenden Industriezeitalters deutlich zu spüren.

Die Not in vielen Landstrichen der Oberpfalz und im Bayerischen und Oberpfälzer Wald zwang Tausende zur Auswanderung in die industriellen Zentren München, Augsburg oder Nürnberg oder gar nach Amerika, während die Zurückbleibenden sich zusehends abgehängt fühlten.

Schönwerths Hauptwerk

Schönwerth ist vor allem durch sein dreibändiges Werk „Aus der Oberpfalz – Sitten und Sagen” bekannt geworden, das von 1857 bis 1859 erschienen ist. 

Auf fast 1.300 Seiten werden Brautwerbung, Hochzeit, Bauernarbeit, Stall und Feldfrüchte, die Elemente Erde, Wasser, Luft und Feuer, Arme Seelen, Hexen, Tod und Teufel, das Ende der Welt und vieles mehr behandelt.

Schönwerth, der 1886 in München starb, kam nicht mehr dazu, sein ganzes Quellenmaterial zu veröffentlichen. 

So ging der auf rund 30.000 Blätter geschätzte Nachlass an den Historischen Verein für Oberpfalz und Regensburg über und wird heute im Stadtarchiv Regensburg aufbewahrt. 

Trotzdem geriet die Sammlung weitgehend in Vergessenheit, bis Adolf und Erika Eichenseer die Schönwerth-Gesellschaft ins Leben riefen, welche sich auch für diesen Märchenweg einsetzte. Erika Eichenseer machte den Autor in der ganzen Welt bekannt, indem sie eine Reihe von Schönwerthbüchern veröffentlichte, die in verschiedene Sprachen übersetzt wurden.

Schönwerths Sammlung kommt eine große Bedeutung zu, da sie einen guten Eindruck von der Erzählkultur um die Mitte des 19. Jahrhunderts vermittelt, bevor sich diese durch die einsetzende Modernisierung rasch zu verändern begann.

Wie hat Schönwerth gesammelt?

1851 ist Franz Xaver von Schönwerth zum Generalsekretär und Ministerialrat am Bayerischen Staatsministerium der Finanzen in München aufgestiegen. 

Es gab zu der Zeit sehr viele Oberpfälzer, die nach München ausgewandert waren. Unter den „Kocherln“, Kindermädchen, Fuhrleuten, „Hausln” und anderen einfachen Bediensteten fand er seine Gewährsleute, die ihm gegen eine Tasse Kaffee oder eine Prise Schnupftabak ihre Geschichten erzählten. 

Wie er dabei vorging, beschreibt er in den Sitten und Sagen: 

„Weiber und Weber der Heimat ließen sich gegen kleine Geschenke und Bewirthung in der Regel gerne herbey, sich als Inquisiten mir gegenüber zu setzen und wurden ganz mittheilsam, wenn ich der Erste war, in der heimatlichen Mundart zu erzählen. Es erfordert große Uebung, gerade dasjenige, worauf es ankommt, herauszufragen, und an Geduld darf es nicht fehlen.”