Schönwerth in der Natur

1. Umwelt in Märchen Schönwerths

Franz Xaver von Schönwerth (1810-1886) hat in seinen Schriften und nicht zuletzt auch in den von ihm gesammelten Märchen dem Naturgedanken nachgespürt, schreibt Erika Eichenseer (in: Märchenspiegel 1/2012):

Zertreten, zerfahren, gepeinigt, geschunden

„Nichts straft sich schneller als die Sünde wider die Natur“

Welch wichtige Rolle Natur und Umwelt bei Schönwerth spielten, wie sehr er sich um deren Erhalt verantwortungsbewusst sorgte und danach handelte, zeigt sich symptomatisch schon in der Vorrede seines ersten Bandes, wo er schreibt:

Außerdem leidet die Oberpfalz empfindlichst an den Folgen des Vandalismus, mit welchem man vor fünfzig Jahren gegen alles, was Wald hieß, zu Felde zog. Kultur war das Losungswort. Heut zu Tage scheint man durch ganz Deutschland einen förmlichen Kreuzzug gegen das Wasser in Teich und Weiher und See zu organisieren: die Folgen werden noch fühlbarer werden. Nichts straft sich schneller als Sünde wider die Natur.

Diese Worte stammen keineswegs aus dem Munde eines larmoyanten Zeitgenossen unserer Gegenwart, sondern eines Visionärs aus dem 19. Jahrhundert, der die vielfältigen existenziellen Gefahren des angehenden Industriezeitalters für Mensch und Natur frühzeitig erkannte. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Schönwerth in den von ihm gesammelten Märchen in der Oberpfalz dem Naturgedanken eine besondere Bedeutung zumisst.

Dies sollen einige Beispiele belegen, die ich vornehmlich seinem Briefwechsel, seinen wissenschaftlichen Schriften und seinem Fragebogen entnommen habe.

Prinz Roßzwifl
(
in: Prinz Roßzwifl, S. 108 f.)

Ein armes Mädchen, jung und schön, lief des Weges und hätte beinahe einen Roßzwifl (Mistkäfer), der im Gangsteig lag, im Sprung zertreten. Es erbarmte sie des Tierleins, prallte zurück und verrenkte sich den Fuß. Da lag es und weinte und rief: „Wer wird jetzt zum Doktor laufen, ach! Und meine Mutter stirbt.“ „Setz’ dich auf mich!“ brummte der Roßzwifl. Das Mädchen erschrak und weinte noch mehr. Auf einmal brauste der Käfer unter ihr, er streckte seine Flügel aus und hob sie und trug sie wie der Blitz zum Doktor und Apotheker und so wie hin, auch wieder heim zur kranken Mutter. „Musst fein auch dein Rösslein füttern“, sagte die Mutter zur Tochter, als sie Schwarzbrot brach und vom Krüglein Wasser trank. „Ja, wo ist es hingekommen?“, sagte das Mädchen und sah sich überall um. Da sah es auch zum Fenster hinaus und über Querfeld einen Reiter heransprengen. „Ach, das ist der blaue Prinz!“, rief die Mutter. Gleich flog auch die Türe auf, und der Prinz war da. Er glänzte wie neu aus einem Ei geschält und sagte: „Gott Lob! Ich grüße dich!“ und: „Gib mir dein Töchterlein, es hat mich erlöst. Seit Jahren, mehr als Bäume im Wald, lag ich in Staub und Kot, ein Käfer zertreten, zerfahren, gepeinigt, geschunden, weil ich es dem Tierlein selber so getan, als ich ein Bube war, und zur Strafe in die Verwandlung fiel. Jetzt Gott Lob! Gib, ach gib mir das Mägdlein, mein ist es, mein Engel, es hat mich erlöst.“ Das Mägdlein aber fürchtete sich und wurde ganz bleich, und von den Wimpern fielen Tränen sowohl der Mutter wie der Tochter. Da stieß der Prinz das Fenster auf und blies ins Horn. Die Berge trugen den Hall weit über die Wälder, und daraus zurück rollten Wagen und Pferde, der Hofstall des Prinzen. Darüber wurde die kranke Mutter gesund aus Freude, ihr Töchterlein wieder rosig und rot zu sehen. Es wurde eine Hochzeit gehalten, wobei die Mücken geigten, die Vögel sangen, und alle Groß und Klein, was Füße hatte, tanzten und sprangen. (Neuenhammer, Nachlass 202 053)

Diese kurze, eindringliche Geschichte bietet alles, was ein Märchen braucht, in komprimierter Form, dynamisch und dramatisch. Wir erfahren das Mitleid des Mädchens mit dem Tier, die Rücksicht ohne Ansehen der eigenen Schmerzen, das Mitleid mit der Mutter, den wunderreichen Vorgang mit dem Prinzen und den glücklichen Ausgang. „Zertreten, zerfahren, gepeinigt, geschunden.“ Für diese mutwilligen Untaten an wehrlosen Tieren ist der Prinz zum Roßzwifl verzaubert worden (nur in Neuenhammer, der Herkunft Schönwerths, ist übrigens dieser Name für den Mistkäfer geläufig), verachtet jetzt selbst und misshandelt.

Aus dem Märchen geht ganz deutlich hervor, dass der Naturgedanke, auch Schutzgedanke zu der Zeit der Entstehung des Märchens schon existierte, d. H. dass die Bedrohung durch die Zivilisation schon deutlich erkennbar und erkannt ist.

Der Naturgedanke in Schönwerths Märchen

Unter den vielfältigen Perspektiven in Schönwerths Werk ist sicherlich nicht die geringste der Natur- und Schutzgedanke, den Schönwerth immer wieder anspricht und der auch in vielen seiner gesammelten Märchen zum Ausdruck kommt, wie z. B. Die verwunschene Krähe, Das weiße Reh, Wiesawittl und Blumenholde, Das Wieserl und Der Schneider im Baum (in: Prinz Roßzwifl, S. 56 f.). Es handelt sich um eine erfreulich kurze, bündige und lebhaft erzählte Version vom singenden Baum, die in Bildern die Kettenreaktion eines Frevels ausdrückt. Ich sage bewusst Kettenreaktion, das Nicht-mehr-anhalten-können eines Vorgangs, der aus einem scheinbar kleinen Vergehen entsteht. Sie können diese Geschichte auf alle aktuellen Katastrophenmeldungen weltweit anwenden: am Anfang steht immer der wunderbare singende Baum, dem die Menschen die Rinde beschädigten und damit seine Versorgung und sein Leben aufs Spiel setzten.

Das Volk wendet sich nur zu dem Greifbaren. Wie sehr es sich Alles greifbar zu machen sucht, ersieht man in seiner Liebe zur Personifikation. Noch jetzt bewahrt es unendlichen Reichtum, ausgelegt in seinen Anschauungen von Erscheinungen, Vorgängen in der Natur, sowohl der leblosen als belebten: es schafft sich damit eigene lebendige Bilder, um welche es der Dichter beneiden darf. (Sitten und Sagen 2, S. 41)

Da sind die Geschichten von den Holzfräulein, Schönwerths liebstem, ältestem Erzählgut. Sie helfen weise dem, der sie im Haus zu halten versteht und der sie schützt gegen ihre einzigen Feinde aus dem Heer der Wilden Jagd: die Holzhetzer. Bei den vielen Geschichten um die Holzfräulein, Hulzfral, wird ersichtlich, dass Schönwerth noch keinen abgrenzenden Unterschied macht zwischen Märchen und Sage. Sagenmärchen habe ich sie in meinem Buch genannt, die Erzählungen von Naturgeistern wie Holzfräulein, Wasserfrauen, Bilmesschneider und anderen Personifizierungen der Ängste und Nöte, die die Menschen damals bedrohten.

Drei Laiblein Brot
(in: Prinz Roßzwifl, S. 123)

Eine Ernte, unerschöpflich wie ein Bach! Es geht in diesem Holzfräulein-Märchen nicht um Bauer und Ochsen und Acker und Rain, es geht um die Achtung vor dem Brot. Sicherlich schielt der Bauer nach seinem Vorteil gegenüber seinen Kameraden, den Ochsen, ohne die er sein Feld nicht bestellen könnte. Es geht auch um die Ehrlichkeit, an der es heutzutage vielerorts mangelt. Und: er nimmt den Hut ab, bevor er das Brot bricht, ein alter Brauch, den die gläubige Landbevölkerung bis ins 20. Jahrhundert praktiziert hat. Segen und Frucht sind die Belohnung, unerschöpflich wie ein Bach. Welch ein Vertrauen, welche Sicherheit strahlt dieses Märchen aus, welch hohe Belohnung für den Zusammenklang von Mensch und Natur!

Der heilige Wald
in: Prinz Roßzwifl, S. 196

Bemerkenswert ist die Bezeichnung „Heiliger Wald“. Im Gegensatz zu dem bei Grimm meist negativ charakterisierten, drohenden Wald, in dem böse Tiere, Hexen und Räuber hausen, gibt es bei Schönwerth beim Durchqueren des Waldes durchaus positive Überraschungen: ein Holzfräulein oder Moosweiblein, das ja eine auf Erlösung hoffende Arme Seele sein soll, hilfreiche Zwerge, die gleichsam als Hüter des Waldes auftreten, der singende Baum, der wie ein guter König seinen Platz beherrscht … Schreckliche Tiere wie den bösen Wolf gibt es in den Märchen Schönwerths nicht. Gnadenlos hart aber wird der Frevler bestraft, und es wird ihm keine wundersame Rettung zuteil.

Lesen Sie doch auch Das Wieserl (S. 102) und erfahren Sie im Gegensatz dazu die große Belohnung für das Mitleid mit dem kleinen Tier! Schönwerth selbst bemerkt dazu:

Das Volk nimmt somit seine Anzeichen theils aus der Natur, die es umgibt, theils von sich selber, von den Menschen. Es ist ein alter Spruch: „Wie die Menschen, so die Zeit.“ Vor Allem knüpft es den Bestand an Wald und Wasser: wie dem Walde, ergeht es dem Menschen. Aus dem Baume, der Esche und Ulme, haben die Götter das erste Menschenpaar geschaffen. Wird der Wald unnatürlich abgeschwendet, insbesondere an Bergen, den Häuptern der Quellen, so mindert sich auch das Wasser. Seit einem halben Jahrhunderte wurde der Kreuzzug geprediget gegen Wald und Wasser: kein Wunder, wenn die Scheue, an den Gesetzen der Natur zu rütteln, dem Volke abhanden kam. Die Fabel von der Henne und dem goldenen Ey ist allerorten in’s Praktische übersetzt. Daß sodann die Aenderung des Klimas, eine notwendige Folge der Versündigung gegen die Natur, mit zu den Anzeichen gezogen wird, erklärt sich von selbst. Treue gegen die Natur ist erste Anforderung zur Erhaltung der Weltordnung. (Sitten und Sagen 3, S. 333)

An anderer Stelle setzt er diesen Gedanken fort:

So lange ferner das Volk sich selbst treu bleibt, kann es die Weltordnung erhalten. Aber auch diese Treue ist vielfach gelockert. Die reine, einfache Sitte des Volkes weicht dem Egoismus, der Genußsucht, der Geldgier, um jener zu fröhnen. Die alte sittige Tracht wich französischem Luxus und wälscher Wandelbarkeit, der Boden muß fremdländische Früchte erzeugen, auf die er nicht von der Natur angewiesen ist, der Tisch des Landmanns wird, wo thunlich, nach Art der Städter bestellt, die Treue in Ehebett und Wandel ohne Scheu gebrochen. So wird das Volk sich selber untreu und damit seine Weltordnung vernichtet. Der Strafen, welche die Alten auf den Treubruch setzten, des kommenden Unterganges, lacht man als eines Märchens und sucht eben nur im Augenblick, in der Gegenwart, Zweck und Ziel: der Zukunft, der Nachkommen, wird nimmer gedacht! (Sitten und Sagen 1, § 2, Vorzeichen)

Hören Sie auch, wie dieser Märchensammler weit über die Grenzen der (Kinder-) Unterhaltung hinausgeht, wie er eine Botschaft erkennt und weitersendet, so dass das erzählte Märchen zum Vehikel wird mit weit höheren Ansprüchen. Alles, was Leben und Heimat, ja die Weltordnung bedeutete, sah er damals schon in Gefahr, und wenn man es hören will: er hat Recht gehabt! Auch mit diesen Augen sollten wir diesen bescheidenen Mann aus der Oberpfalz betrachten. Der bayerische Staatsbeamte, ausgestattet mit dem tiefen Wissen um die Kraft des Märchens und der Erzählkultur, hat versucht, dem Volk mit den ihm eigenen Mitteln politisches und ziviles Umdenken beizubringen. Doch kurz nach der Mitte des 19. Jahrhunderts, also zur Zeit Max Josephs II., der Schönwerths Sammelleidenschaft förderte, überschlugen sich die Ereignisse in Europa, so dass die Saat unmittelbar nicht hat aufgehen können. (Hugo Meyer)

Schönwerths Verdienst

Schönwerths Urenkel, Klaus Schönwerth, der in Augsburg lebt, ist von derselben Sorge ergriffen:

Heute leben wir in einer ganz nach äußeren Werten orientierten Welt, in der Gesellschaft, Leistung und Glück an äußeren Werten bemessen wird, und in der ein Mensch, dem gewisse innere Werte noch am Herzen liegen, quasi gezwungen wird, diesen Schatz vor den Augen anderer, Unverständiger, Kurzsichtiger wie ein kostbares Juwel in seinem Inneren zu verbergen. Ich meine jene Werte, ohne die alle Gelehrsamkeit, Anerkennung, Ruhm und Nachruhm nichts sind, nur ein Mäntelchen, unter welchem die innere Armut des Menschen oft ganz unentdeckt bleibt, mag es auch der an ihr Erkrankte zu äußerem Reichtum und Ansehen gebracht haben. Nicht so Franz Xaver von Schönwerth. Er besaß die wunderbare Fähigkeit, seine mannigfachen Begabungen mit seiner inneren, stillen, reichen Welt in Einklang zu bringen. Er war – so könnte man es ausdrücken – unbestechlich durch Gelehrsamkeit und Anerkennung, obgleich ihm beides in hohem Maße zuteil geworden war.

Franz Xaver von Schönwerth ist am 24. Mai 1886 in München gestorben, begraben ist er im Alten nördlichen Friedhof. Es gäbe noch vieles zu berichten zum Thema „Achtsamkeit im Umgang mit Mensch und Natur im Märchen“, z. B. über die wunderbaren Naturerscheinungen in den Legenden. Lassen wir es jetzt genug damit sein. Vielleicht habe ich Sie auf die Spur gebracht zu einem Menschen, der weit vorausgeblickt und aus Sorge um den Verlust von Heimat und deren Sprachgut unermüdlich sein Leben lang ehrenamtlich neben seinem Beruf aufgezeichnet und gesammelt hat. Fortschritt akzeptierte er nur dort, wo dieser nicht „rücksichtslos mit dem Alten, oft nur weil es alt ist, aufräumt, ohne immer etwas Gutes oder überhaupt etwas an dessen Stelle zu setzen“.

Wo Schönwerth glaubt, der „neuere Zeitgeist“ drohe alles zu vernichten, was ihm von Kindheit an lieb und teuer ist, spricht aus mancher seiner Äußerungen geradezu Resignation und Überdruss an seiner Zeit. So gesteht er einmal einem Freund, er habe sich der Volkskunde und der Geschichte nur deshalb zugewandt, „um die Gegenwart zu vergessen“ (Roland Röhrich: Das Schönwerth-Lesebuch,Regensburg 1981, S. 25).

Suchen Sie den Dialog mit ihm. Es ist genügend Material vorhanden und noch mehr in seinem Nachlass verborgen (www.schoenwerth.de). Mir ging es hier um die Botschaft in den Märchen aus der Sammlung von Franz Xaver von Schönwerth. „Zertreten, zerfahren, gepeinigt, geschunden“ werden die Menschen, die sich an der Natur vergehen. Deswegen ist der Prinz im Märchen zum Rosszwifl, zum Mistkäfer, verzaubert worden, weil er die ehernen Gesetze des Zusammenspiels von Mensch und Natur missachtet hat. Diese Gesetze gelten auch heute noch. Lassen Sie uns doch diese Botschaft ebenso erkennen und weiterreichen an die, die auch heute noch die Lehren der Märchen verstehen wollen.

Publikation von Erika Eichenseer Märchenspiegel 1/2012 --> PDF
© Märchen-Stiftung Walter Kahn

2. Volkskundliche Beobachtungen im oberpfälzischen Brauchtum

Hier einige Beispiele aus der Sammlung von Schönwerth:

Verschiedene Kräuter und Pflanzen im Volksbrauch
Unter den Kräutern an Mariahimmelfahrt finden sich: Kleppen, Alte Anferl, Schreikraut, Fuchsschwänze, Drakaschurren, Siebenzeit, Honigbeerlaub und viele Sorten Gartenblumen, wie man sie eben hat. Diese Kräuter werden in folgenden Nächten dem Vieh unter das Futter gegeben und wird damit geräuchert: Andreasnacht, Nikolai-, Thomasnacht, Hl. Abend, Neujahrs-, Hl. Dreikönig-, Georgi-, Walburgi-Nacht.
Dies geschieht deshalb, damit das Vieh nicht verhext wird. Auch läßt man Laub von Haselnußstauden weihen und verbrennt es dann während eines Gewitters; desgleichen Kreuzdorn und peitscht dann damit das Butterfaß, um die Hexe auszutreiben. (Tirschenreuth).
An Maria Himmelfahrt ist die Kräuterweihe und es werden zu dem Büschel, das in die Kirche getragen wird, neunerlei Gewächse genommen; z. B.: rote Rübenblätter, Haber, Gerste, Frauenblätter, Rolfl, Kreuzdorn, Krenblätter, Salbei, Ispen.
Dieses Büschel wird fleißig aufbewahrt und ist ein Mittel gegen Verhexung und Wetterschlag. Beim Abschnitte wird den Dienstboten eine bessere Kost gereicht, sonstige Gebräuche sind hier nicht bekannt. (Pleystein).

Mittel gegen Beschreien
Hinsichtlich der kleinen Kinder aber ist zu Fünfstetten und den umliegenden Orten der Glaube an das Beschreien der Kinder noch allgemein. Wenn nämlich die Neugeborenen und bis auf ein oder zwei Jahre alten Kinder oft oder immerwährend schreien und sich durch den sogenannten Zuller oder Schnuller/:Saugtüchchen, das mit gekauter oder geriebener Semmel und Zucker gefüllt ist:/ nicht stillen lassen, so lecken die Mütter dem Kinde an der Stirn. Ist die Stirn des Kindes bitter, so ist es beschrien und in diesem Falle nimmt man Beschreikräuter, kocht solche wie Teekräuter und wäscht mit diesem Tee nicht nur die Stirn, sondern auch das Gesicht und den Kopf, manchmal den ganzen Körper des Kindes. Diese Beschreikräuter sammeln die Hebammen und mehrere Mütter, die solche kennen, im Frauen Dreißiger vom 15ten August bis 14ten September auf den Wiesen, auf Rainen und neben Hecken, und habe ich darunter das Kraut "Ehrenpreis", eines der heilsamsten bei uns wachsenden Kräuter, erkannt.

Der Teufel als Liebhaber
Eine Maid von der Heigamühle bei Pressath weinte auf dem Felde, Flachs grasend, weil sie zu Hause kein gutes Brot zusammen brachte. Da trat ein Jäger hin und gab ihr Kräuter, die solle sie in den Teig tun, so werde ihr das Brot geraten. Aber sie solle ein Laibchen besonders für ihn backen und ihm bringen. Wie er fortging, sah sie, dass ein Fuß nicht recht war. Sie machte schönstes Brot, in das Laiblein buk sie aber von ihrem Frauenbüschel Kinderl, Schafgarbe und Rollkraut hinein.
Das brachte sie ihm und teilte es mit ihm und gab ihm die Erlaubnis, des Nachts zu kommen.
Sie hatte aber von ihrer Hälfte gegessen. Daher konnte der Teufel nicht zu ihr rein und saß auf dem Schweinestall, immer rufend:
                   Kinderl, Schafgarben und Rollkraut
                   haben mich bracht um meine Braut,
er tobte auch recht. Darob ward sie wahnsinnig und erhielt, weil arm, bis zu ihrem Tode das Gnadenbrot.

Mehr über Würz- und Heilpflanzen

Im Focus: Menschen- und Pflanzenmigration

Josef Heringer
in: Schönere Heimat 104. Jahrgang 2015, Heft 4
Bayerischer Landesverein für Heimatpflege

Die Welt ist in Bewegung. Heimat ist gefragt allerorten. Das ist zunächst nichts Neues, neu ist allenfalls die dramatische Zunahme von Bewegungen, die bei manchen Zeitgenossen Unbehagen auslösen, vor allem, wenn sie zunehmend mit Menschen weltweiter Herkunft, anderer Hautfarbe, anderer Religion verbunden sind. Eine gewissen "Angst-Abbauhilfe" kann da sein: Das Wissen, dass wir selbst alle "Mischlinge" der letzten Völkerwanderung in der Endzeit der Antike vor gut 1500 Jahren sind - möglicherweise auch der letzten zwanghaften Vertreibung und "Großwanderung" gen West, am Ende des Zweiten Weltkriegs. Des Weiteren kann für Verständnis sorgen, dass das meiste des Pflanzlichen, das uns aus vermeintlich heimischen Gefilden kommend - nährt und erfreut, "Migrationshintergrund" hat.

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3. Kräuterbuschen zu Mariä Himmelfahrt

Die Tradition des Sammelns von "Kräuterbuschen" ist in unserer Gegend nicht in Vergessenheit geraten. Pünktlich vor dem großen Frauentag am 15. August 2013 hatte die Leiterin des Walderlebniszentrums Sinzing, Frau Kathrin Düser, zum Kräuterbuschenbinden eingeladen. Dabei ging es um das Suchen und Erkennen der heilsamen Pflanzen und um das Wissen über die traditionellen Heilmittel. Auch von Abwehrzauber und Hexenkräutern war die Rede, und da konnte Erika Eichenseer natürlich aus dem Schatz Schönwerths so einiges beitragen.

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