Einfache Märchen für Vorschulkinder aus der Sammlung Schönwerth
Das Kleid des Mondes
Einmal reiste der Mond mit einem Schneider, es war gerade Winter und sehr kalt. Der Mond sagte öfters zu dem Schneider: „Mich friert so stark, dass es mir das Herz herausschütteln möchte.“ Da lachte der Schneider und sagte: „Von der Kälte, da spüre ich nichts, ich habe einen tüchtigen Pelzrock an, lass dir auch einen machen.“ Der Mond sagte: „Das wäre schon längst mein Wunsch gewesen.“
Der Schneider nahm sogleich Maß und kaufte Pelz zu dem Rock. Er sagte zu sich: „Ich will ihn schon schön machen, weil er mir eine gute Belohnung versprochen hat.“ In einigen Tagen kam der Schneider mit dem Rock, dass ihn der Mond anprobiere. Er war fast ganz zu klein, da sagte der Mond: „Du musst ihn größer machen, sonst kann ich ihn nicht brauchen!“
Der Schneider ging wieder fort und kam in acht Tagen wieder. Der Mond konnte aber den Rock gar nicht anziehen. Der Schneider wurde bald zornig und sagte: „Keinen solchen Menschen hab' ich noch nicht gesehen, der bald so dick war wie du.“ Der Schneider packt seinen Rock und näht ihn wieder größer. In acht Tagen ging der Schneider wieder zum Mond, da schrie er schon von weitem: „Da hast du deinen Rock, jetzt wird er gewiss recht sein!“
Der Mond zog den Rock an, aber er war viel zu groß. Da wurde der Schneider zornig, nahm den Rock und warf ihn dem Mond vor die Füße und sagte: „Du kannst dir einen Schneider vom Himmel bringen lassen!“ Und er lässt sich nicht mehr sehen. Ohne Ort. (Nachlass 202 932)
Die große Rübe
Es waren einmal zwei Häuslleute. Die hatten zwölf Kinder, lauter Buben. Die Mutter aber war ziemlich nachlässig in der Wirtschaft. Wenn sie die Stube auskehrte, so ließ sie den Kehricht doch alles hinter der Türe, zu träge, ihn hinauszuschaffen.
Der Kehrichthaufen hatte so eine ansehnliche Größe erreicht, als einmal Rübsamen hineinfiel. Der Samen ging auf, und es wuchs eine ungeheure Stoppelrübe daraus hervor.
Wie sie reif war, wollte das Weib sie ausreißen. Aber die Rübe war so groß, so fest in den Kehrichthaufen eingewachsen, dass ihre Kraft nicht hinreichte.
Also rief sie den Mann. Der hing sich an, das Weib an die Rübe, aber so sehr sie zogen, die Rübe blieb fest stecken.
Da rief der Vater den ältesten Sohn. Dieser hing sich an den Vater, der Vater an die Mutter, die Mutter an die Rübe. Aber die Rübe wollte nicht gehen.
Da rief der Einl dem Zweitl, dem zweitältesten Sohn. Der hing sich an den Einl, der Einl an den Vater usw.. Aber es ging immer noch nicht.
So hängte sich der Drittl an den Zweitl, der Viertl an den Drittl, der Fünftl an den Viertl u.s.f., bis der Zwölftl am Elftl, der Elftl am Zehntl, der Zehntl am Neuntl usw. hing, und der Einl am Vater, der Vater an der Mutter, die Mutter an der Rübe. Da endlich konnten sie die Rübe herausziehen.
Das Kraut wurde abgeschnitten, die Rübe ausgehöhlt, und die Nachbarn hatten das ganze Jahr Kraut genug. Die leere Hülse fuhren sie hinaus auf den Acker.
Einmal hütete nun der Hirt seine Schweine auf diesem Acker. Weil es sehr warm war, legte er sich hin und schlief ein. Wie er erwachte, waren alle Schweine verschwunden. Voll Angst suchte er sie überall. Da fand er sie alle in der Höhlung der Rübe.
Jetzt wisst ihr, wie groß die Rübe war. Ohne Ort. (Nachlass 203 011)
Die Geldmühle
Ein Müller war brav und kein Dieb, und darum ganz arm. Er hatte Schulden, wenig Malter (Mahlgut) und nicht viel zu essen. Sein Nachbar, ein Bauer, war ein geiziger Geldsack, und der hatte Vieh und Schweine und stach ein solches zu Fastnacht. Als das Schwein schrie und die Wurstsuppe den Armen vermeldete, nahm auch der Müller sein Töpflein und ging zum Nachbarn und wollte von ihm eine Wurst und die Brühe davon. Der Bauer wies ihn aber ab.
Da ging der Müller traurig von hinnen. Unterwegs stand plötzlich ein Männlein vor ihm, das zog unterm Mantel eine winzige Handmühle hervor. Es reichte sie ihm und sagte: „Mahle dir mit dieser Mühle Geld, aber nur so viel, als du brauchst.“ Der Müller richtete sich nach dem Befehl und kam bald zu mäßigem Wohlstand.
Sein Nachbar, der Bauer, erfuhr dies und strebte auf alle Weise nach der Geldmühle so lange, bis der Müller sie ihm zu leihen gab. Hilf Himmel! Wie fuhr der Bauer über das kleine Mühlchen her! Ohne Schlaf und Rast trieb er es, bis kein Platz mehr fürs Geld im Hause war. Aber jetzt kam ein Ungetüm, das griff nach der Mühle und dem Bauern, und im Nu war alles fort und vom Bauer und seinem Gelde nichts mehr zu sehen. Ohne Ort. (Nachlass 202 054)
Die Würste im Hut*
St. Petrus hat gar oft Pech. Von einem solchen trägt er auch den Kahlkopf. Denn als U. L. Herr mit seinen Jüngern in ein Dorf kam und St. Petrus wie immer den Speisemeister machte, brachte er für jeden Mund eine Bratwurst mit, für sich aber hatte er heimlich eine unter dem Hute versteckt.
Da machte der Herr das Zeichen über die Würste, und sie begannen sogleich zu braten, und damit auch jene, welche auf dem Haupt des Petrus ruhte. Der konnte die Hitze nicht mehr vertragen und riss Hut und Wurst vom Kopf. Damit aber auch die ausgebrannten Haare, und seitdem ist er kahl. Oberbernried. (SSO 3, 300f.,Nr. 12)