Internationales Symposium

am Samstag, 12. Juni 2010,
Großer Runtingersaal, Regensburg

Presseecho

zum Schönwerth-Symposium:

 

 

Prof.Dr. Hugo Meyer (links, Princeton) und Prof.Dr. Daniel Drascek (Regensburg)
Dr. Helmut Groschwitz (Regensburg)
Manuel Trummer M.A. (Regensburg)

Symposiumsbericht

aus der Zeitschrift "Märchenspiegel", Heft 3 (Aug. 2010)

Kurt Franz:
Interdisziplinäres Symposium - Franz Xaver von Schönwerth

Im 200. Geburtsjahr des Sammlers und Volkskundlers Franz Xaver von Schönwerth (1810­1886) finden zahlreiche Veranstaltungen statt, vor allem natürlich in seiner Heimat Oberpfalz. Auch Heft 1/2010 des Märchenspiegels war ihm schwerpunktmäßig gewidmet. Nachdem am Freitag, dem 11. Juni 2010, in Regensburg ein abwechslungsreicher Schönwerth-Abend unter dem Motto „Mit der Zeit blöiha d'Hackstöck" stattgefunden hatte, folgte am Samstag, 12. Juni 2010, unter der Federführung des Lehrstuhls für Vergleichende Kulturwissenschaft (Prof. Drascek) der Universität Regensburg ein ganztägiges „Interdisziplinäres Symposium", das mit einer Erzählveranstaltung (Erika Eichenseer) schloss. Im historischen Runtinger-Saal in Regensburg setzten sich zahlreiche Wissenschaftler mit Leben und Werk Schönwerths zum ersten Mal in so intensiver Weise auseinander.

Den Anfang machte Prof. Dr. Siegfried Becker (Marburg); er vermittelte in seinem Vortrag:
Volkskulturforschung im Nachmärz - Die Schönwerth-Sammlung und der nachrevolutionäre Blick aufs Volk“
ein Bild von den politischen, sozialen und literarischen Verhältnissen im 19. Jahrhundert. Dabei warf er die Frage auf, wie weit sich der Vormärz volkskundlich im Nachmärz spiegle und das Sammeln (Schönwerths) eine Reaktion auf die Revolution sei. Auch wenn im Marburger Zentralarchiv schon in den 1950er Jahren Sagen- und Märchentexte Schönwerths transkribiert wurden, so sei es doch noch Forschungsdesiderat, aus dem großen Nachlass Schönwerths zu erschließen, wie dieser die Ansichten der kleinen Leute in der Revolutionszeit wahrgenommen hätte.

Prof. Dr. Daniel Drascek (Regensburg) zeigte im Vortrag
„Deutschen Geistes Wiederkehr"- Die romantisch-mythologischen Prämissen
des Franz Xaver von Schönwerth und der Brüder Grimm

im Einzelnen die geistigen Grundlagen des Oberpfälzer Sammlers und dessen Verbindung zu den Brüdern Grimm auf, besonders zu Jacob, in dem er einen zweiten „Prometheus" erkannte. Auch wenn die germanische Mythologie sein Denkmodell entscheidend prägte und er sich auf die beiden Brüder berief, war er doch Vertreter einer anderen Generation. Das vielzitierte Lob Jacob Grimms in Bezug auf Schönwerths so unverfälschte Sammeltätigkeit sei letztlich dadurch begründet, dass die Grimms in ihm einen wichtigen Gewährsmann für die von ihnen vertretene Kontinuität einer germanisch-mythologischen Tradition sahen.

Hermann Wellner M.A. (Regensburg) sprach als unmittelbar damit Befasster über Provenienz, Umfang, Auswertung des Nachlasses von Franz Xaver von Schönwerth, speziell über dessen Weg, die Bearbeitung, die Gliederung und die bisher zur Erschließung eingesetzten Hilfsmittel. Mit der laufenden Digitalisierung wird der umfangreiche Nachlass, der dem Historischen Verein für Oberpfalz und Regensburg übereignet wurde und im Stadtarchiv Regensburg lagert, nicht nur endgültig gesichert, sondern auch der allgemeinen Nutzung zugänglich gemacht.

Mit den Rechtshistorischen Aspekten im Werk von Schönwerth setzte sich Prof. Dr. Hans-Jürgen Becker (Regensburg) auseinander. Die Bearbeitung dieses bisher kaum beachteten Themas lag natürlich nahe, da Schönwerth sich endgültig dem „Brotstudium" Jura zugewandt hatte und lebenslang hohe Beamtenpositionen als Ministerialrat im bayerischen Finanzministerium bzw. als Sekretär des Königs innehatte. Schon sein Hauptwerk Aus der Oberpfalz - Sitten und Sagen biete rechtsgeschichtlich sehr vieles und Interessantes, da er überall entsprechende Gedanken einstreue und diese teilweise auch zusammenzufassen versuche (was im sonstigen Nachlass in geringerem Maße der Fall sei). Auch seine gesammelten Sprichwörter seien unter diesem Aspekt zu betrachten, doch müsse man sich hüten, diese uneingeschränkt als Zeugnis für die Kenntnis alten Rechts im Volk zu sehen. Schönwerths Aussagen im Geist des werdenden Nationalstaates müsse man auf seine Zeit bezogen sehen, er selbst sei nicht einfach als „biederer Nationalist" einzustufen.

Dr. Erika Lindig (Regensburg) sprach anschließend über Schönwerth und seine Bedeutung für die Brauchforschung. Dabei ging sie von dem durch die Romantik allgemein vermittelten Interesse am Sammeln aus, doch zeigte sie speziell die enge Verbindung von Brauch und Glaube beim Katholiken Schönwerth, für den auch „Sitte" und „Brauch", wie im Titel seines Hauptwerks benützt, fast als Synonyme erschienen. Vor allem zeigte Lindig die methodische Vorgehensweise des Sammlers auf, die Rekrutierung seiner Gewährsleute, sein wortgetreues Festhalten (was ihm das Lob Grimms einbrachte) und seine narrative Eloquenz. Damit sei für die Oberpfalz ein „ethnografischer Entwurf" entstanden, an dem kein Forscher vorbeikomme, auch wenn die Relevanz Schönwerths heute mehr im Fach- und Ideengeschichtlichen, weniger im Stofflichen liege.

Aufschlussreiche Erkenntnisse vermittelte auf manchmal erheiternde Weise Manuel Trummer M.A. (Regensburg) den zahlreichen Zuhörern, denn sein Vortragsthema lautete: „schlecht sich nähren und dabay zufrieden sein... "- Oberpfälzische Esskultur zwischen Ar­beit und Fest bei Schönwerth. Nach einigen allgemeinen Gedanken zur Nahrungsforschung im Bayern des 19. Jahrhunderts ging Trummer auf Schönwerth als Nahrungsforscher und auf entsprechende Belege (auch auf für uns heute manchmal recht eigenartig erscheinende „Rezepte") ein, wobei auch der mythologische Aspekt eine Rolle spielte. So ordnet Schönwerth das Unterkapitel „Essen und Trinken" dem „Aberglauben" zu, über die Bedeutung der „Milch" reflektiert er unter „Tiere des Hauses". Mahlzeiten und Speisen werden also nie als eigenständige Phänomene gesehen, sondern den Bräuchen im Jahreslauf (Feiertage, Feste wie Taufmahl, Heirat) zugeordnet, so dass wiederum die religiöse Motivation gegeben ist. Die Rückständigkeit der Oberpfalz manifestierte sich natürlich gerade auch in diesem Be­reich, wobei man unwillkürlich an die Ausführungen im ersten Referat zum Pauperismus in Deutschland erinnert wurde (Dominanz der Kartoffel als Nahrung und entsprechende Folgen).

Prof. Dr. Hugo Meier (Princeton), der schon für den Märchenspiegel (1/2010, S. 7-18) den Beitrag Oberpfälzische Apokryphen - Unser Lieber Herr und der heilige Petrus im Erdenwandel geschrieben hatte, widmete sich beim Symposium dem Thema: Volks-Ilias und Volks-Evangelium –zwei Aspekte oberpfälzischer Märchenkultur. Sein Anliegen ist es - nicht nur in diesem Fall - historische, kulturgeschichtliche und literarische Zusammenhänge sichtbar zu machen, was hier vor allem heißt, den Weg antiker und biblischer Motive zu verfolgen. Als Veranschaulichungsobjekt diente ihm vor allem der Stoff vom „König Goldhaar".

Dr. Christine Pretzl (Regensburg) konzentrierte sich ebenfalls auf Märchen: Entstehungsgeschichte und Varianten der Märchentexte bei den Brüdern Grimm und Franz Xaver von Schönwerth. Vom Tapferen Schneiderlein existieren bei Schönwerth allein sieben Varianten (Sieben auf einen Schlag, Riese und Schneider usw). Beim Vergleich des Inhalts und der sprachlichen Ausgestaltung zwischen Schönwerth und Grimm zeigten sich eklatante Unterschiede. Die bedeutend größere „Authentizität" der Schönwerth-Aufzeichnungen sei offensichtlich (und damit muss man wieder an Jacob Grimms Lob erinnern), seine Texte wirkten damit „mündlicher", aber somit als „Lesetexte" auch etwas sperriger, mit den ungereinigten Szenen erwiesen sie sich nicht als primäre `Kindertexte'. So spiegelten sich bei den Brüdern Grimm und Schönwerth eindeutig unterschiedliche Intentionen in Inhalt und Sprache wider. In der anschließenden Diskussion wurde vorgeschlagen, trotz der offensichtlich engeren Volksnähe von Schönwerth den Begriff der „Authentizität" zu vermeiden bzw. zu ersetzen.

Da Schönwerth die längste Zeit seines Lebens, seine ganze Berufszeit, in München verbrachte, war es wichtig, auch diesen bisher vernachlässigten Aspekt einmal näher zu beleuchten, was Dr. Gabriele Wolf (München) in ihrem Referat Schönwerth und München unternahm. Schon die verschiedenen Adressen signalisierten den beruflichen Aufstieg, wobei freilich noch vieles unklar ist, etwa die Rekrutierung und Bedeutung seiner Bediensteten, aber auch die Frage nach dem Einfluss des Stadtlebens, denn immerhin hat sich Schönwerth von der bayerischen Hauptstadt aus intensiv seiner Heimat zugewandt. Gabriele Wolf analysierte dessen Stellung im Kontext der starken volkskundlichen Tätigkeiten anderer unter der Ägide Maximilians II. und ordnete ihn denjenigen zu, die ihr gesammeltes Material mythologisch zu deuten versuchten, im Unterschied zu denjenigen, die die Gegenwart ohne jede Bearbeitung beschrieben, und denjenigen, wie Riehl, die synthetisch verfuhren. Dass Schönwerth trotz mancher Vergünstigungen nicht zum engeren wissenschaftlichen Kreis um den König und zur Akademie gehörte, lag - wie auch in der Diskussion nochmals unterstrichen wurde - vor allem daran, dass er nicht offiziell die notwendigen akademischen Voraussetzungen für diesen Wissenschaftsbereich hatte.

Den Abschluss bildete mit Recht Dr. Helmut Groschwitz (Regensburg), da sein Beitrag als übergreifender Ausklang gedacht war: Die Er-Findung der Oberpfalz - Schönwerths Rolle bei der Konstruktion regionaler Identitäten. So wurde klar, dass für Schönwerth auf seiner Suche nach Heimat die Oberpfalz, die weder politisch noch sprachlich als homogener Raum zu sehen war, also keine autochthone Realität darstellte, eher eine „Er-Findung" war. Mit der Intention, das Volkgut in letzter Sekunde zu retten, lag Schönwerth ganz im Trend seiner Zeit, aber auch mit seiner mythologischen Deutung. Die Mundart spielte bei der Identitätsfindung eine große Rolle, doch wissen wir, dass die These einer sprachlichen Sonderstellung des Oberpfälzischen durch die unmittelbare Herleitung vom Gotischen irrelevant ist, auch wenn Schönwerth sich bevorzugt alten Figuren (Bilmesschneider, Holzfräulein) zuwandte und anhand von Wasser-Motiven die Vorfahren der Oberpfälzer selbst am Schwarzen Meer zu erkennen glaubte. Groschwitz zeigte noch, ausgehend von Schönwerths Hauptwerk, Aus der Oberpfalz-Sitten und Sagen (3 Bde., 1857-1859), das verlegerisch ein Misserfolg war, die weitere Rezeptionsgeschichte im 19. Jahrhundert, in der Zwischenkriegszeit und seit den 1980er Jahren auf.

Damit ging eine äußerst fruchtbare Tagung zu Ende. Sie hat dem aufmerksamen Auditorium nicht nur viele neue Erkenntnisse aus dem Blickwinkel verschiedener Wissenschaftsdisziplinen gebracht, sondern hat auch - nicht zuletzt durch die substantiell gelungenen Diskussionen - der weiteren Forschung viele Anstöße gegeben.

Buchtipp:
Franz Xaver von Schönwerth: Aus der Oberpfalz - Sitten und Sagen. Bd. I, II und III. Gesamtausgabe [in 1 Bd.]. Bearbeitet u. ergänzt v Harald Fähnrich. Illustriert v. Eva Sixt. Herausgeber: Kulturkreis Pressath u. Umgebung e. V Pressath/Opf.: Verlag der Buchhandlung Eckhard Bodner 2010. 544 S., mit Orts- u. Sachregister; 29,90 Euro; ISBN 978-3-937117-80-5

 

Programm

zum Int. Schönwerth-Symposium
am Samstag, 12. Juni 2010,
Großer Runtingersaal, Regensburg
- Eintritt frei -                                  [Programmflyer]

09.00-09.30   Begrüßung
09.30-10.15   
Prof. Dr. Siegfried Becker (Marburg):
Volkskulturforschung im Nachmärz. Die Schönwerth-Sammlung und der nachrevolutionäre Blick aufs Volk.
10.15-11.00  
Prof. Dr. Daniel Drascek (Regensburg):
Schönwerth und die Brüder Grimm.

11.00-11.15   Kaffeepause

11.15-12.00   Prof. Dr. Christoph Daxelmüller (Würzburg):
Aberglaube, Magie und „Volks“medizin bei Schönwerth.
12.00-12.45
   Prof. Dr. Hans-Jürgen Becker (Regensburg):
Rechtshistorische Aspekte im Werk von Schönwerth.

12.45-14.30   Mittagspause

14.30-15.15   Akad. Dir. Dr. Erika Lindig (Regensburg):
Schönwerth und seine Bedeutung für die Brauchforschung.
15.15-16.00
   Manuel Trummer M.A. (Regensburg):
„schlecht sich nähren und dabey zufrieden sein...“. Oberpfälzische Esskultur zwischen Arbeit und Fest bei Schönwerth.

16.00-16.15   Kaffeepause

16.15-17.00   Prof. Dr. Hugo Meier (Princeton):
Volks-Ilias und Volks-Evangelium - zwei Aspekte oberpfälzischer Märchenkultur.
17.00-17.45
   Dr. Christine Pretzl (Regensburg):
Schönwerths Sprachtheorien und dialektologischen Folgen.

17.45-18.00   Kaffeepause

18.00-18.45   Dr. Gabriele Wolf (München):
Schönwerth in München.
18.45-19.30
   Dr. Helmut Groschwitz (Regensburg):
Die Er-Findung der Oberpfalz. Schönwerths Rolle bei der Konstruktion regionaler Identitäten.

20.00   Ausklang mit Märchen aus dem Nachlass von Schönwerth, erzählt von Erika Eichenseer (Regensburg)

Am 16. Juli 2010 jährt sich der zweihundertste Geburtstag des aus der Oberpfalz stammenden Franz Xaver von Schönwerth (1810-1886). Dies ist der Anlass, um sich im Rahmen eines interdisziplinären Symposiums mit der Bedeutung dieser Persönlichkeit eingehend auseinanderzusetzen, die zur Ausbildung einer kulturellen Identität der Oberpfälzer erheblich beigetragen hat. Bis heute bekannt ist Schönwerth vor allem durch sein dreibändiges Werk „Aus der Oberpfalz. Sitten und Sagen“ (1857-1859). Kein geringerer als Jakob Grimm (1785-1863) schrieb darüber: „Nirgendwo in ganz Deutschland ist umsichtiger, voller und mit so leisem Gehör gesammelt worden“.

Grimms Wertschätzung ging so weit, dass er gegenüber König Maximilian II. geäußert haben soll, dass nur Schönwerth ihn eines Tages in seiner Arbeit ersetzen könne. Schönwerths Werk markiert den „Beginn der Volkskunde in der Oberpfalz“, da er in den 1850er bis 1880er Jahren eine Fülle von Belegmaterial zur Erzählkultur (Sagen, Märchen, Sprichwörter usw.) und zur Alltagskultur (Bräuche, Kinderspiele, Kleidung, Nahrungsverhalten, magische Praktiken, Rechtsverständnis usw.) der breiten Bevölkerung in der Oberpfalz zusammengetragen hat. Dieser immense Quellenfundus, der bisher nur zu einem sehr geringen Teil publiziert worden ist, gehört zu den bedeutendsten Beständen seiner Art im deutschsprachigen Raum und eröffnet der kulturhistorischen Forschung vielfältige Perspektiven. Zudem hat Schönwerth durch seine Vertrauensstellung bei König Maximilian II. wahrscheinlich sehr viel stärker die Entwicklung der bayerischen Wissenschaftslandschaft seiner Zeit beeinflusst, wie bisher angenommen. Die vielschichtige Bedeutung Schönwerths aus der Perspektive verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen auszuloten, ist ein Ziel des Symposiums, das sich über die Fachöffentlichkeit hinaus an eine breite, interessierte Öffentlichkeit wendet.

 

Grußwort von Präsident Dr. Kunert

Meine Damen und Herren, verehrte Schönwerth-Gemeinde,

namens der Schönwerth-Gesellschaft heiße ich Sie herzlich willkommen zum heutigen Interdisziplinären Symposium zu F X von Schönwerth und seinem Werk. Als Mitveranstalter freuen wir uns natürlich sehr über den großen Zuspruch. Dieses Interesse ist sicher eine Folge des vielseitigen und vielversprechenden Ansatzes dieser Veranstaltung. Es zeigt sich zugleich einmal mehr, dass Schönwerth im 200. Jahr in „seiner Oberpfalz“ – endlich – angekommen ist. 

Unsere vor gut einem Jahr gegründete Gesellschaft hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Andenken an den großen Sprachforscher und Volkskundler, Sagen- und Märchensammler zu fördern, sein ganzes Werk einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen und damit zugleich die volkskundliche und die Märchen- und Sagenforschung zu unterstützen und der Erzählkultur einen neuen Anstoß zu geben.

Und noch ein weiterer, ganz wichtiger Aspekt: FX von Schönwerth ist „Oberpfalz pur“ – es gibt gerade heute wahrlich nicht viele Themen bei uns, die diesen Anspruch erheben könnten! Seine umfassende, auf die ganze Oberpfalz bezogene Forschungs-, Sammel- und Veröffentlichungstätigkeit muß uns allen – Bürgerinnen und Bürgern, kommunalen Gebietskörperschaften, der Wissenschaft, den Schulen und vielen weiteren Organisationen mit historisch-kulturellen Zielen, nicht zuletzt auch der Wirtschaft und dem Tourismus – am Herzen liegen als ein echtes Stück begreifbarer Identität unserer Heimat. Vielleicht stoßen wir hier auch auf ein Gegengewicht zu manchen unüberschaubaren und kaum mehr verständlichen Ausprägungen unserer globalisierten, Ökonomie zentrierten Welt.
Schönwerth und sein Werk sind also höchst aktuell!

Um dieser umfassenden Bedeutung Schönwerths einigermaßen gerecht zu werden, ist es unser Ziel, im Schönwerth-Jahr 2010 – und natürlich darüber hinaus – eine ganze Reihe unterschiedlicher Aktivitäten durchzuführen, anzustoßen, zu unterstützen oder auch nur in unserem Internetauftritt auszuweisen und zu vernetzen.

Das von Frau Erika Eichenseer im Auftrag der SG herausgegebene Leseheft mit „Sagen und Märchen aus  der Oberpfalz“ haben alle Oberpfälzer Schulen in je 40 Exemplaren erhalten, dazu einen pädagogischen Leitfaden für die Lehrkräfte. Diese und viele weitere Aktivitäten hat EON  Bayern als Partner des Schönwerth-Jahres dankenswerterweise unterstützt; auch auf weitere Förderer durften und dürfen wir zählen. Als Geschenk des Bayerischen Rundfunks hat jede Oberpfälzer Schule eine CD mit einer wertvollen Schönwerth-Sendung von Roland Röhrich bekommen.

Wir freuen uns über den Ende des vergangenen Jahres im Verlag Laßleben erschienenen Reprint der 3.Auflage von Schönwerth-Winkler, ebenso über die jüngst von Harald Fähnrich im Bodmer-Verlag herausgegebene Gesamtausgabe der „Sitten und Sagen“. Mit Spannung sehen wir dem illustrierten Märchenbuch entgegen, das Erika Eichenseer in unserem Auftrag herausgibt.

Von uns initiierte Wettbewerbe in Musik und bildender Kunst möchten Bezüge des Schönwerthschen Werkes zu anderen Kunstgattungen herstellen und aufzeigen.

Mit einer Vielzahl von Lesungen, Vorträgen, Ausstellungen, laufenden Beiträgen in Presse, Hörfunk und Fernsehen, volksnahen Abenden (wie z.B. gestern in diesem Saal), aber auch Legendenvorträgen in Kirchen ist das Schönwerth-Jahr so richtig auf Touren gekommen und wird diese beherzte Gangart mindestens beibehalten. Besonderes Augenmerk verdient natürlich der Festakt in Amberg am 16.Juli, dem 200. Geburtstag, sowie im Herbst im Freilichtmuseum des Bezirks ein Oberpfälzer Märchen- und Sagentag und die Pflanzung einer Linde sowie die Aufstellung einer Märchenbank.

Die Aktivitäten erstrecken  sich – Schönwerths Aktionsradius entsprechend – auf die ganze Oberpfalz. Auch München, seine berufliche Wirkungsstätte und Ort seiner letzten Ruhe, werden wir nicht aussparen.

Dieses bunte Kaleidoskop wird mit dem heutigen Symposium und seiner breit angelegten, facettenreichen Thematik um einen Glanzpunkt bereichert.

Ich danke allen, die sich der Vorbereitung und Durchführung gewidmet haben und damit einen wichtigen Beitrag zur Wiederentdeckung und Wiederbelebung sowie zur verdienten Würdigung dieser herausragenden, leider aber bis vor kurzem nicht mehr allzu präsenten Persönlichkeit leisten.

Mein Dank gilt den – zum Teil weit angereisten – Referenten und den Mitveranstaltern. Von diesen möchte ich vor allem die Universität Regensburg mit Herrn Prof. Drascek, den Inhaber des Lehrstuhls für Vergleichende Kulturwissenschaft, nennen sowie dankbar die Stadt Regensburg mit Herrn Kulturreferenten Unger für ihren namhaften Förderbetrag und die Aufnahme in ihr Jahresthema „ … 10 Aufbruch“ sowie schließlich den Historischen Verein für Oberpfalz und Regensburg für die Überlassung des Großen Runtingersaales.

Ich wünsche uns allen einen ergiebigen Tag mit vielen Einblicken und Anregungen. Bleiben Sie unserem großen Oberpfälzer Landsmann und seinem Werk möglichst eng und aktiv verbunden – auch im Sinne eines Brückenschlags aus fernerer Zeit in unsere Gegenwart und Zukunft.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Dr. Wolfgang Kunert, Regierungspräsident a.D.
Präsident der F.X.-Schönwerth-Gesellschaft

 

Grußwort von Bürgermeister Wolbergs

Sehr geehrte Damen und Herren, (...)

„Was ma gern tout, kummt oin niat hoart oa“ - was man gerne macht, fällt einem nicht schwer, meinte Franz Xaver von Schönwerth. Und so geht es mir auch am heutigen Tag: Sehr gerne eröffne ich das interdisziplinäre Symposium zum Leben und Wirken unseres wohl bedeutendsten Volkskundlers der Oberpfalz, Franz Xaver von Schönwerth.

Er ist zwar der wichtigste Volkskundler unserer Region, aber für sein vielfältiges Wirken noch viel zu unbekannt. Zu seinen Lebzeiten äußerte sich sogar Jacob Grimm lobend und bewundernd über Schönwerths Werk. Doch während die Gebrüder Grimm als die Märchensammler schlechthin gelten, gerieten Schönwerths Person und Werk mit der Zeit in Vergessenheit.

Das Jahr 2010, in dem sich der zweihundertste Geburtstag Schönwerths jährt, bietet der - unter Anstoß von Herrn Dr. Eichenseer und seiner Frau Erika gegründeten - Schönwerth-Gesellschaft den idealen Rahmen, den gebürtigen Amberger der breiten Öffentlichkeit näher zu bringen. In der Fülle der Aktivitäten zum Schönwerth-Jahr ist das heute stattfindende Symposium eines der Höhepunkte. Und es richtet sich auch ausdrücklich nicht nur an ein bestimmtes Fachpublikum, sondern ebenso an eine interessierte Öffentlichkeit. Dass die heutige Veranstaltung stattfinden kann, verdanken wir dem Engagement einiger Institutionen:

  • dem Lehrstuhl für Vergleichende Kulturwissenschaft der Universität Regensburg unter Leitung von Herrn Professor Drascek,
  • dem Historischen Verein für Oberpfalz und Regensburg,
  • dem Regensburger Verein für Volkskunde e.V.,
  • der Schönwerth-Gesellschaft mit ihrem Präsidenten Dr. Wolfgang Kunert
  • und dem Arbeitskreis Landeskunde-Ostbayern.

Nicht zuletzt haben wir als Stadt das interdisziplinäre Symposium sehr gerne im Rahmen des Jahresthemas unseres Kulturreferats, Kultur 2010 „..10 Aufbruch“ unterstützt. Schließlich ist dieses Symposium ein Aufbruch in die eigene Vergangenheit, in die Erzähl- und Alltagskultur unserer oberpfälzischen Heimat im 19. Jahrhundert. Ich möchte an dieser Stelle auch gerne den großzügigen Sponsoren aus der Wirtschaft, der Brauerei Bischofshof und E.ON Bayern danken. Ebenso wird die Veranstaltung durch den Kulturfonds Bayern der Bayerischen Staatsregierung gefördert.

 

Franz Xaver von Schönwerth hinterließ einen großen Fundus an Material, der uns einen Blick in die Vergangenheit erlaubt. Bis heute ist Schönwerth vor allem für sein Werk „Aus der Oberpfalz. Sitten und Sagen“ bekannt. Doch sein Wirken ging viel weiter. Rund 500 Geschichten trug er zeit seines Lebens zusammen. Dieser immense Fundus gehört zu den bedeutendsten Beständen seiner Art im deutschsprachigen Raum.

Doch was trieb Schönwerth an, warum sammelte er mit solcher Akribie Geschichten aus seiner Heimat? Sein Studium und seine Berufswahl geben darüber keinen Aufschluss. Er studierte Jura - mit herausragenden Noten - und wurde nach einigen Stationen Generalsekretär und Ministerialrat am bayerischen Staatsministerium der Finanzen.  

Doch Franz Xaver von Schönwerth hatte eine große Leidenschaft, der er auch neben seiner Tätigkeit als Generalsekretär und Ministerialrat nachging. Seine Leidenschaft war es, den Menschen zuzuhören, ihren Geschichten zu lauschen und ihr Treiben zu beobachten. Und was man gerne macht, fällt einem nicht schwer. Obwohl der gebürtige Amberger für das Studium nach München ziehen musste und aus beruflichen Gründen dort blieb, reiste er immer wieder zurück in die Heimat und sammelte eine Fülle von Sagen und Märchen, von Sprichwörtern und Bräuchen. Mit der Oberpfalz war Schönwerth immer tief verbunden.

Diese - von König Maximilian II. übrigens befürworteten - Forschungsaufenthalte in Neuenhammer bei Vohenstrauß sind die Grundlage des heutigen Symposiums, das die umfassende Bedeutung Schönwerths beleuchtet.

So breit wie Schönwerths Talente  gefächert waren, so vielschichtig ist sein Werk. Die Voraussetzungen sind also ideal für ein Symposium quer durch alle wissenschaftlichen Disziplinen.

In den Vorträgen heute finden Sie Schönwerth als Volkskundler, als Rechtsgelehrten, als Sprachforscher und als Konstrukteur einer oberpfälzischen Identität. Zum Abschluss des Tages bringt Erika Eichenseer noch Schönwerth als Märchensammler zu Gehör. Sie  erzählt Märchen aus seinem Nachlass.  

Ich freue mich mit Ihnen auf diesen abwechslungsreichen Tag.

Wir werden sicherlich eine Menge über das Leben in der Oberpfalz vor 200 Jahren erfahren, einer raueren, aber auch mystischeren Oberpfalz, als sie es in unserer Zeit ist.

Ich wünsche den Referenten aufmerksame Zuhörer und den Zuhörern spannende Stunden und eine interessante Reise in die Vergangenheit unserer Heimat.

Joachim Wolbergs
3. Bürgermeister der Stadt Regensburg