Neumondnacht im Märchenwald

 

Die Schönwerth-Gesellschaft gestaltete am 14. Oktober 2023 einen außergewöhnlichen Abend

Bericht von Andrea Leopold
Bilder von Julia Ostermeier


Neumond im tiefen Wald, der beruhigende Klang von Daumenklavier und Blockflöte, monotone Gesänge. Leicht gruselig ist es inmitten der Bäume. Es ist Herbst geworden an diesem Neumondabend, von den Bäumen tropft es wegen des starken Regens am Tag leicht auf die Köpfe der Besucher. Es leuchtet geheimnisvoll im Dunkeln und klingt zauberhaft. Licht- und Schattenspiele warten auf die Gäste der Märchennacht im Walderlebniszentrum, zu der die Schönwerth-Gesellschaft e.V. eingeladen hatte.

An sieben Stationen gestaltete das Team von der "Kleinen Bühne Blaue Blume" mit Schauspiel, Gesang und Instrumenten den Märchenabend. Von einer einfachen Laterne geführt, der Weg flankiert von zahlreichen Kerzenlichtern, erlebte der Besucher ein ganz anderes Waldgefühl als tagsüber. Gleich sehen die Schatten der Bäume bedrohlicher aus, die Geräusche sind deutlich intensiver, das Moos an den abgestorbenen Ästen schillert und erinnert an geheimnisvolle Gestalten. Baummoosfäden hängen von den Zweigen herab, eine Klangspirale aus Edelstahl singt ihr Lied angestupst vom Wind.
Erika Eichenseer startet im kreisförmigen Zwergenkönigspalast mit dem Märchen "Palast des Zwergenkönigs". An der Bronzefigur des Zwergenkönigs (von Engelbert Süß) durften die Kinder an der Warze auf einer Backe drehen. Dies bringe Glück, meinte die Erzählerin.

Wildes Wesen im Baum

Weiter ging es mit der "Wilden Jagd", eine gruselige Geschichte, vorgetragen von Hermann Schmucker, dazu schepperte ein bewegliches wildes Wesen aus gehämmertem Kupferblech vom Baum (Korbinian Huber).
Bandagierte Birken (Herta Wimmer-Knorr) wirkten seltsam armselig und deplatziert, passten jedoch zum Märchen "Das dumme Weib", erzählt von Regina Oser und Wieland Kranich.
Schönwerth-Märchen folgen keinen Stereotypen. Statt einfältiger, nur schöner Prinzessinnen erscheinen tapfere Frauen, Kämpferinnen, Heldinnen "voll Wildheit und Energie". Statt heldenhafter Haudegen findet man verletzliche junge Männer, die sich verantwortungsvoll ihren Aufgaben stellen. "Im Märchen geht es stets um Wendepunkte, die eintreten, wenn Nadelöhre tapfer durchquert werden", sagt Eichenseer. "In ihrer Zeitlosigkeit sind Märchen fortwährend aktuell und vermitteln in bildhafter Sprache Lebenshilfe und Optimismus". Und: "Märchen gehen immer gut aus. Immer". Sie würden bekanntlich von alters her als willkommene Lebenshilfe bei der Bewältigung persönlicher Probleme dienen, insbesondere in der Pubertät.

Die Schönwerth-Gesellschaft möchte das umfangreiche und vielfältige Werk des Oberpflälzer Sagen- und Märchensammlers Franz Xaver von Schönwerth (1810-1886) der breiten Öffentlichkeit lebendig vermitteln. Der etwa 400 Meter lange Märchenpfad bietet für alle Altersstufen die Stille des Waldes zusammen mit dem Zauber der Märchen- und Sagenwelt.

Der beschützende Wald

Viele der Schönwerth-Märchen spielen im Wald, doch ist es hier nicht der drohende, verschlingende Wald, in dem menschenfressende Wölfe ihr Unwesen treiben, sondern der beschützende Freund, in dem zauberische Wesen weben: die gutartigen Holzfräulein, das goldene Hirschlein, Zwerge.

Warum erzählen und nicht vorlesen? Erzählen sei die älteste Form der Gedankenvermittlung. "Es schafft eine Gemeinschaft zwischen Erzähler und Hörer, eine zwischenmenschliche Beziehung, eine Nähe, die über den Blick des Erzählers für etwa Unverständliches oder Bedrohliches geht", erklärt Eichenseer im Interview.

Erika Eichenseer rief zusammen mit ihrem Mann Adolf die Schönwerth-Gesellschaft ins Leben, die sich für diesen Märchenweg einsetzte. Eichenseer machte den Autor in der ganzen Welt bekannt, indem sie Schönwerth-Bücher veröffentlichte, die in verschiedene Sprachen übersetzt wurden.

Bericht in der Mittelbayerischen Zeitung am 20.10.2023

Impressionen

von Julia Ostermeier