Jacob Grimm (1858)

„Nirgendwo in ganz Deutschland ist umsichtiger, voller und mit so leisem Gehör gesammelt worden; der Verfasser hat gewußt, alle Vortheile zu ziehen, die sich aus der ruhigen Beschränkung auf einen sagenreichen Landstrich ergeben. Die Berge, Hügel und Wälder seiner theilweise rauhen, unbegünstigten und doch schönen Heimath hegen eine Fülle schlichter und treu bewahrter Ueberlieferung, wie sie anderen glänzenderen Gegenden nicht zu Gebote stehen, zumal hat die Ecke von Waldthurn, Bleistein und Vohenstrauß, hart an der böhmischen Grenze, große Ausbeute gewährt; […] Ausdrucksweise, Gebräuche, Sagen und Märchen sind hier noch in recht lebendigem Flusse und durchdringen einander wechselweise. Wie lieblich und bedeutsam sind zum Beispiel im zehnten Buche die Erzählungen von dem Wasserfräulein, die aus der Sage sogar in das heimlichere Märchen fallen und mit den anmuthigsten, wirksamsten Zügen abwechseln. […] Unsere Literatur ist ihm [Schönwerth] aber für eine so reiche und willkommene Gabe den größten Dank schuldig.“

Grimm, Jacob: Mythologie. In: Literarisches Centralblatt für Deutschland 21 (1858), Sp. 336-337.

Johann Baptist Laßleben (1922)

„Es dürfte wohl keinen Leser der ‚Oberpfalz‘ geben, dem nicht der Name Franz Xaver von Schönwerth bekannt wäre. […] Die ‚Sitten und Sagen aus der Oberpfalz‘, die in drei Bänden 1857 bis 1859 in der Riegerschen Buchhandlung zu Augsburg erschienen, waren dem Bedürfnis der Zeit vorausgeeilt. Sie fanden darum anfangs wenig Verständnis und Beachtung. […] Damals kümmerte man sich noch nicht um Bücher, die das Leben des Volkes behandelten, denn überall stand dieses noch in vollster Blüte. Die Gebildeten, welche doch hauptsächlich als Abnehmer des Werkes inbetracht gekommen wären, hatten keinen Sinn für des gemeinen Mannes Sitten und Sagen. Hielten sie doch diese nur für blöden Aberglauben, den man möglichst bald mit Stumpf und Stiel ausrotten müsse. Allein die Zeit hat hierin Wandel geschaffen. […] Je mehr nun die alte Kultur bei der breiten Masse schwand, desto höher stieg ihr Wert bei den wahren Freunden unseres Volkes, desto mehr wurde auch der Wert der Schönwerthschen Bücher erkannt. Sie erfuhren darum auch allmählich eine starke Nachfrage, so daß die an Antiquariate übergegangene Auflage seit langem vergriffen ist und jeder Heimatfreund sich glücklich preist, wenn er die drei Bände sein eigen nennen kann und sie stets als einen besonderen Schatz seinen Freunden weist.“

Laßleben, Johann Baptist: Ein volkskundlicher Schatz. In: Die Oberpfalz. Monatsschrift für Geschichte Volks- und Heimatkunde. Unter Mitwirkung zahlreicher Freunde der Heimat herausgegeben und geleitet von J. B. Laßleben in Kallmünz. Jg. 16, Heft 7, Juli 1922. Kallmünz 1922, S. 113-114.

Roland Röhrich (1981)

„Als Franz Xaver von Schönwerth um die Mitte des vergangenen Jahrhunderts mit seiner dreibändigen Sammlung ‚Aus der Oberpfalz – Sitten und Sagen‘ an die Öffentlichkeit trat, fand er sogleich die Zustimmung und die Anerkennung der bedeutendsten Vertreter der damals noch recht jungen volkskundlichen Wissenschaft. Und es war der große Jakob Grimm, Begründer der deutschen Philologie und zusammen mit seinem Bruder Wilhelm Herausgeber der unsterblichen ‚Kinder- und Hausmärchen‘, der in einer Rezension darauf hinwies, daß in den ‚Sitten und Sagen‘ ein abgelegener, aber ‚sagenreicher Landstrich‘ in geradezu mustergültiger Weise volkskundlich erschlossen worden sei. Auch später hat Grimm die ‚Sitten und Sagen‘ noch mehrmals als unübertroffenes Vorbild volkskundlichen Sammelns herausgestellt […] Ja in einem Gespräch mit König Maximilian II. hat er sogar einmal geäußert, daß Schönwerth der einzige sei, der einst seine Nachfolge antreten könnte.

Wenn Schönwerth lange Zeit aber nur noch selten genannt, geschweige denn mit Jakob Grimm verglichen wurde, so könnte man zu dem Schluß kommen, dieser habe ihn bei weitem überschätzt. Mir scheint aber, daß vor allem die mangelnde Kenntnis seines Gesamtwerkes daran schuld ist. Enthält doch der volkskundliche Nachlaß Schönwerths nicht nur genügend Material für weitere Bände in der Art der ‚Sitten und Sagen‘, sondern neben anderem noch umfangreiche Stoffsammlungen für ein oberpfälzisches Mundartwörterbuch.

Wer heute nur ein wenig in den ‚Sitten und Sagen‘ blättert oder auch nur die Inhaltsangabe liest, dem wird sogleich eines klar: Mit einem Sagenbuch in der Art der meisten zeitgenössischen Sammlungen wollte sich Schönwerth nicht begnügen.“

Röhrich, Roland: Das Schönwerth-Lesebuch. Volkskundliches aus der Oberpfalz im 19. Jahrhundert. Regensburg 1981, S.9-10.

Heidrun Alzheimer (2007)

„Angeregt durch Jacob Grimms ‚Deutsche Mythologie‘ (1835), durch den Sprachwissenschaftler Johann Andreas Schmeller und nicht zuletzt durch seine spätere Ehefrau Maria Rath (Heirat 1856), die über einen umfangreichen Märchen- und Sagenfundus verfügte, begann Schmeller Anfang der 1850er Jahre mit volkskundlichen Sammlungen und wandte sich der Dialektforschung zu.

Schönwerth plante wie der oberpfälzische Mediziner Wilhelm Brenner-Schaeffer, das Volk ‚am Herde‘ aufzusuchen, befragte dann aber durch Vermittlung einer alten Dienerin im Hause Schmeller Oberpfälzer Dienstboten in München oder wertete wie die meisten Sagensammler seiner Zeit schriftliche Quellen aus. 1854 verschickte er einen stark von den Grimms beeinflußten, auf Brauch und Erzählgut beschränkten Fragebogen an Pfarrer und Lehrer in der Oberpfalz. Aus dem eingegangenen Material gab er eine dreibändige Sammlung mit Volksüberlieferungen heraus: ‚Aus der Oberpfalz. Sitten und Sagen‘ (1857-59) und markierte damit den Beginn der Volkskunde der Oberpfalz. Er bemühte sich, ‚jene Anschauungen des Volkes dazulegen, welche sich aus seinem heidnischen Glauben noch erhalten haben‘. 1860 und 1861 ließ er sich zweimal für mehrere Monate für Forschungsaufenthalte in der Oberpfalz beurlauben. Die dabei gemachten Aufzeichnungen blieben unveröffentlicht. Bereinigt man Schmellers Texte von zeittypischen Interpretationen, so bleibt als Gewinn eine Fülle von Belegmaterial, das ohne ihn dem Vergessen preisgegeben worden wäre. […] Durch Nachdrucke und Publikationen von Sagen, Legenden Märchen und Schwänken (teilweise in Mundart) aus seinem Nachlaß wirkte Schönwerths Sammlung weit ins 20. Jahrhundert hinein.“

Alzheimer, Heidrun: Schönwerth, Franz Xaver von. In: Enzyklopädie des Märchens Bd. 12. Berlin 2007, Sp. 168-170.

Harald Fähnrich (2010)

„Aus Oberpfälzer Landschaften trug der ‚unbekannte‘ Schönwerth ab 1854 bis in die 80er Jahre penibel Märchen, Sagen, Legenden, Schwänke, vor allem Bräuche zum Lebens- und Jahreskreis, dann Redensarten, Sprichwörter, Kinderspiele, Kleidersitten, Nahrung, Volksglaube und Volksmedizin und anderes mehr zusammen. Wenn überhaupt, dann veränderte er sprachlich nur sanft das Erzählgut des Volkes. Und damit ist er authentischer als die hochgelobten Gebrüder Grimm, die auch mehr waren als ‚Märchensammler‘. Für uns schafft seine Sammlung ein Zeitfenster in die ländliche Volkskultur – um 1850 und früher – seiner über alles geliebten Heimat Oberpfalz. Diese vorindustrielle Epoche wird von ihm, dem Realisten mit Hang zum Pessimismus, liebevoll beschrieben, aber durchaus nicht als die ‚gute alte Zeit‘.“

Fähnrich, Harald: Franz Xaver v. Schönwerth – Volkskultur der geliebten Heimat Oberpfalz. In: Heimat Eschenbach 2009. Hg. v. Heimatverein Eschenbach e.V. Jg. 32. Eschenbach 2010, S.48-52.

Maria Tatar (2015)

„When the British press reported in 2012 that five hundred unknown fairy tales, languishing for more than a century in the municipal archive of Regensburg, Germany, had come to light, the news sent a flutter through the world of fairy-tale enthusiasts, their interest further piqued by the detail that the tales – which had been compiled in the mid-nineteenth century by a man named Franz Xaver von Schönwerth – had been kept under lock and key. […] Schönwerth’s collection of tales may lack some of the charm of other nineteenth-century collections, but it gives us a crystal-clear window into the storytelling culture of its time. Earthy, scatological, and unvarnished, these tales give us a primary process rathen than edited and embellished narrative. Where else will we find a woman who moons a scoundrel of a tailor, or a fellow who relieves himself in the woods much to the dismay of his pals? Schönwerth recognized the value of remaining faithful to his sources and refused to pull punches.“

Tatar, Maria: Introduction. In: Eichenseer, Erika (Hg.): Franz Xaver von Schönwerth. The turnip princess and other newly discovered fairy tales, New York 2015, S. XI-XVIII.